In unserer Arbeit verwenden wir den Begriff “Dialog” sehr oft. Wenn ich ihn erkläre, nutze ich dazu gerne ein Visual, das schon vor einigen Jahren entstanden ist: Es beinhaltet sieben Kompetenzen für einen gelingenden Dialog.
Nun war es für mich an der Zeit, mich wieder einmal tiefergehend mit diesem Thema zu beschäftigen: Wie hat sich die Interpretation dieser Kompetenzen für mich über die Jahre (durch meine Erfahrung, durch meine Anwendung, durch Gespräche mit Kolleg:innen, …) verändert? Was würde ich heute anders formulieren? Und: Welche Tipps kann ich geben, um diese Fähigkeiten zu kultivieren?
Was bedeutet Dialog?
Zunächst ist es für mich wichtig, mir eine für mich brauchbare Definition von Dialog zu erarbeiten. Brauchbar bedeutet eine Entlastung für mich selbst, denn dazu könnte man wohl auch ein Buch schreiben, und das habe ich hier nicht vor.
Hilfreich ist es, Unterschiede zur Diskussion herauszuarbeiten. In einer Diskussion geht es oft darum, Argumente zu formulieren, den eigenen Standpunkt zu verteidigen, mit seiner Sicht auf die Dinge zu “gewinnen”. Im Dialog hingegen geht es darum, ein tieferes Verständnis zu einem Thema zu entwickeln, gemeinsam zu denken und dabei zuzulassen, dass etwas Neues entstehen kann, was individuell noch nicht gedacht wurde.
Wenn ich mir die Entwicklung von Gesprächen in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren ansehe, komme ich zur tiefen Überzeugung, dass es deutlich mehr Dialog und deutlich weniger Diskussion bräuchte, damit Lösungen entstehen, die uns als Menschheit weiterbringen.
Damit Dialog gelingt, braucht es von den Teilnehmer:innen eine entsprechende Haltung und viel Übung. Doch was ist mit entsprechender Haltung gemeint? Hier finde ich die eingangs erwähnten Kompetenzen eine gute Orientierung.
Kompetenzen für gelingenden Dialog
Nach längerem Hin- und Herüberlegen habe ich mich entschlossen, für diesen Blog-Beitrag acht Kompetenzen auszuwählen, die ich in unterschiedlichen Büchern (z.T. wiederkehrend) gefunden habe.
Das Buchkapitel von Dieter Rösner in “Selbstorganisation braucht Führung”, auf das ich mich in meinem früheren Blog-Beitrag bezogen hatte, dürfte von mehreren anderen Büchern beeinflusst sein, etwa jene von David Bohm (Der Dialog: Das offene Gespräch am Ende der Diskussionen), William Isaacs (Dialog als Kunst gemeinsam zu denken) und Martina und Johannes Hartkemeyer (z.B. Miteinander Denken: Das Geheimnis des Dialogs).
Im Vergleich der in den einzelnen Büchern beschriebenen Kompetenzen finden sich viele Überschneidungen. Bei den Hartkemeyers sind auch noch mehr als die von mir hier beschriebenen acht Kompetenzen zu finden, ich konnte die zusätzlich beschriebenen jedoch alle in die acht ausgewählten hineindenken.
Beginnen möchte ich mit vier Kernfähigkeiten, die bereits William Isaacs in seinem Buch beschrieben hat (im Englischen nennt er sie respecting, voicing, listening, suspending).
Radikaler Respekt (Respecting)
Für Dialog ist es wichtig, jede Teilnehmer:in als Mensch zu achten und ihre Redebeiträge anzuerkennen. Es ist wichtig, eine wertschätzende Grundhaltung allen anderen gegenüber einzunehmen.
Das bedeutet nicht, mit jeder anderen Sichtweise einverstanden zu sein, sie jedoch anzuerkennen. Empathie, also die Fähigkeit, sich in die Lage einer anderen Person hineinzuversetzen, kann hier sehr hilfreich sein.
Hilfreich für das Gelingen von Dialog ist es jedenfalls, auf Abwehrreaktionen (“ich muss meinen Standpunkt verteidigen”), auf Schuldzuweisungen sowie auf Abwertung von und Kritik an Beiträgen anderer zu verzichten.
Von Herzen sprechen (Voicing)
Diese Fähigkeit bedeutet, im Dialog von dem zu sprechen, was mir wirklich wichtig ist, was mich berührt, was mir wesentlich ist.
Explizit nicht geht es dabei darum, den Akt des Sprechens und seine Wirkung in den Vordergrund zu stellen. Es geht nicht darum, jemanden zu belehren, mir selbst zu schmeicheln oder meine Kompetenz oder argumentative Überlegenheit auszudrücken.
Es geht also darum, ohne Maske zu sprechen. Die Hartkemeyers erwähnen in einem ihrer Bücher einen Spruch aus der indianischen Kultur, den ich sehr am Punkt finde: Sprich von Herzen und fasse dich kurz.
Generatives Zuhören (listening)
Diese Kompetenz bezieht sich darauf, was ich als Dialogpartner:in mache, wenn gerade jemand anderer spricht.
Anstatt sich mit eigenen Gedanken zu befassen (siehe auch das Prinzip Das Eigene suspendieren), wäre es ideal, sich ganz auf das zu fokussieren, was die andere gerade sagt oder anders als durch Sprache kommuniziert (z.B. mimische Signale, die auf eine starke emotionale Berührtheit hindeuten).
Das unterstützt einerseits die Sprechende dabei, sich selbst zu entdecken. Andererseits kann sich der Zuhörende gut beim Einordnen des Gehörten beobachten.
Also ganz im Sinne von: Versuche mit all deinen Sinnen wahrzunehmen, was im Raum (in deinem inneren und im äußeren) gerade geschieht.
Das Eigene suspendieren (Suspending)
Um die Kompetenzen Offenheit, Generatives Zuhören und Erkunden nutzen zu können, ist es wichtig, einen guten Umgang mit den eigenen Gedanken zu finden, die unweigerlich entstehen, wenn wir jemandem anderen in einem Gespräch zuhören. Das können beispielsweise Annahmen, Interpretationen und Bewertungen, aber auch wahrnehmbare Gefühle sein.
Diese Kompetenz steht für diesen “guten Umgang”. Der Begriff Suspendieren bedeutet (auch wenn das vielleicht die erste Assoziation ist) nicht, die eigenen Gedanken wegzudrücken, vielmehr geht es darum, sich ihrer zunächst einmal bewusst zu werden. Sehr oft sind wir im Autopilot-Modus unterwegs und erkennen gar nicht, dass wir gerade stark eigenen Gedanken nachhängen, während eine andere spricht. Um diesen Autopilot-Modus zu verlassen, ist es wichtig, immer wieder bewusst in sich hineinzuhören und nachzuspüren: Was ist da gerade? Was beschäftigt mich?
Und dann (denn darum geht es in diesem Prinzip): Kann ich meinen Gedanken für den Moment ziehen lassen, um mich wieder ganz auf den Beitrag der anderen zu fokussieren? Ein idealer Zustand – dem wir wohl nur selten nahekommen – wäre so etwas wie ein “inneres Schweigen”.
William Isaacs meint in diesem Zusammenhang sinngemäß: Suspendieren heißt, auftauchende Gedanken und Gefühle zur Kenntnis zu nehmen und zu beobachten, ohne zwangsläufig danach handeln zu müssen.
Schön wäre es, diese eigenen Gedanken und Gefühle den anderen Dialog-Partner:innen auch offenzulegen: ohne sie zu verteidigen, sondern lediglich als Anerkennung ihrer Existenz.
Den vier Kernfähigkeiten möchte ich nun vier weitere Kompetenzen ergänzend zur Seite stellen, die ich den Büchern Hartkemeyers entnommen habe.
Offenheit
Die Kompetenz oder vielleicht besser das Prinzip der Offenheit zeigt für mich zumindest drei Gestalten:
Zunächst einmal geht es darum, selbst das auszusprechen und so in den Dialog einzubringen, was mich wirklich bewegt. Dazu ist es ganz wichtig, dass in der Gruppe, die den Dialog führt, ein vertrauensvoller Beziehungsraum entsteht. Und das braucht typischerweise Zeit.
Eine weitere Facette der Offenheit ist es, die Vorstellungen und Perspektiven anderer aufzunehmen und sie in das eigene Denken einbeziehen zu können. Auch hier geht es nicht darum, sie sich uneingeschränkt zu eigen zu machen, sondern sie zulassen können, sie neben die eigenen Ansichten zu stellen und zumindest neugierig zu betrachten.
Schließlich braucht es auch eine Offenheit dafür, dass im Gesprächsverlauf unerwartete Einsichten und Ideen entstehen können, die bisher so noch von keiner der Teilnehmer:innen individuell gedacht wurden (Emergenz). Eine schöne Formulierung habe ich von Dieter Rösner in Erinnerung: Sich dem Denkfluss des Kollektivs hingeben!
Erkunden
Beim Erkunden geht es stark um aktives Zuhören, mit der Einstellung, wirklich verstehen zu wollen, was die Dialogpartner:in ausdrücken möchte. Gegenstand der Erkundung soll dabei auch die Welt der anderen sein, aus der heraus Gedanken und Sichtweisen entspringen. Vergleich auch den Konstruktivismus: Wir alle konstruieren mit unserem Denken unsere eigene Wirklichkeit – eine objektivierbare Wirklichkeit gibt es nicht.
Und auch das Erkunden hat für mich eine weitere Dimension: auch dem neugierig nachzugehen, das vielleicht gerade als etwas Neues im gemeinsamen Denken entstehen möchte – eine Einsicht, eine Idee, ein Lösungsansatz. Das hat wiederum viel damit zu tun, etwas zulassen zu können, was nicht (allein) dem eigenen Denken entsprungen ist.
Hilfreich für beide Facetten des Erkundens ist es nachzufragen: Nach Sachinformationen, nach Hypothesen, nach Gefühlen. “Unschuldige” Fragen stellen, wie ein neugieriges Kind, die dich selbst gerade bewegen.
Produktives Plädieren
Bei dieser Fähigkeit geht es um die Art und Weise, mit der ich eigene Gedanken, Ideen oder Lösungsansätze in den Dialog einbringe.
Es erschließt sich mir selbst am besten mit einer Metapher: Eigene Beiträge sehe ich als Geschenk an die Gruppe, die ich in einen gemeinsamen Korb in die Mitte lege. Das Geschenk kann dort neugierig beäugt werden, es steht gleichwertig neben anderen Geschenken, die dort vielleicht schon liegen. Und im Laufe der Zeit wird sich herausstellen, welche dieser Geschenke sich für die Gruppe als besonders wertvoll erweisen.
Hilfreich für sich selbst und andere ist es dabei auch, eigene Interessen, Motive oder Unsicherheiten offenzulegen. Für sich selbst (als Sprechende) stellt dies eine Entlastung dar: ich muss nicht ständig Energie dafür aufwenden, eine Hidden Agenda zu verfolgen. Für alle Zuhörenden im Dialog sind das wertvolle Hinweise, “meine Welt” besser zu verstehen (vergleiche auch das Prinzip Erkunden). Ich lasse somit die Dialogpartner:innen an meinem Denkprozess teilhaben, anstatt sie lediglich mit dem fertigen Produkt meines Denkens zu konfrontieren.
Verlangsamen
In vielen Gesprächen sind wir meist sehr schnell unterwegs. Meist viel zu schnell, als dass sich die oben vorgestellten Kompetenzen gut entfalten könnten.
Verlangsamen bedeutet also, sich und anderen ein passendes Tempo für das Gespräch zu geben, um überhaupt in ein Beobachten, in ein Erkunden, in ein Suspendieren kommen zu können.
Es umfasst auch die Möglichkeit, dass jede:r überhaupt in ein eigenes Sprechen kommen kann, und dann auch einen geschützten Raum zu haben, so lange und im passenden Tempo sprechen zu können, damit sich die eigenen Gedanken ausdrücken lassen können.
Die Kompetenzen kultivieren – mit einfachen Werkzeugen
Vermutlich klingen die Kompetenzen auch für dich durchaus schlüssig. Vielleicht wecken Sie in dir sogar die Lust, sie zu üben, sie zu kultivieren?
Es bedarf aus eigenen Erfahrung und auch nach Meinung aller Autor:innen, die ich bisher zu diesem Thema gelesen habe, viel Übung und Geduld. Das schöne ist jedoch: Mit dem Üben kann jede von uns jederzeit beginnen 🙂
Im Folgenden möchte ich dir ein paar leichtgewichtige Werkzeuge vorstellen, die du einfach in deine Gespräche einbauen kannst. Egal, ob du zu zweit im Privaten mit einer guten Freundin oder deinem Ehemann sprichst, oder im Beruflichen an einem Meeting teilnimmst oder dazu einlädst.
Der Rahmen für das Gespräch
Mach dir Gedanken über den Rahmen, den du dem Gespräch geben möchtest:
Wie kann der physische Raum das Gespräch gut unterstützen? Ein heller, ästhetisch eingerichteter Raum passender Größe kann viel bewirken! Stell dir im Gegensatz dazu ein achtlos eingerichtetes, fensterloses Kämmerchen mit ausschließlich künstlichem Licht vor: viele Menschen werden sich dort schon auf Grund des räumlichen Umfelds nicht wohl fühlen.
Wie sollen die Plätze der Gesprächspartner:innen im Raum angeordnet sein? Die ideale Formation für einen Dialog ist für mich der Stuhlkreis, angeordnet um eine schön gestaltete Mitte. Nicht umsonst sind bereits unsere Ahn:innen in unterschiedlichen Kulturen ums Feuer gesessen, wenn sie wichtige Dinge zu besprechen hatten. Stelle dir als abschreckendes Beispiel den typischen “Flugzeugträger” vor, wie man ihn leider in vielen Besprechungsräumen nach wie vor findet: Die Tischordnung kann wegen strukturierter Verkabelung und Ausrichtung auf den alles dominierenden Beamer nicht verändert werden, alle Gesprächsteilnehmer:innen verschanzen sich hinter einem Tisch – und schlimmstenfalls noch aufgeklapptem Laptop.
Wie viel Zeit möchtest du dem Gespräch geben? Haben alle Teilnehmer:innen ausreichend Zeit, sich im Raum einzufinden? Hast du genügend Zeit veranschlagt, damit das Gespräch mit einem Ankommen (Check-In) und einem guten Abschluss (Check-Out) enden kann? Ein gehetztes Gespräch zwischen Tür und Angel oder eines, bei dem die Gesprächsteilnehmer:innen mit Verspätung nach und nach eintrudeln, wird kaum die Qualitäten eines Dialogs entfalten.
Das Redeobjekt
Die Kompetenz des gemeinsamen Verlangsamens eines Gesprächs kannst du strukturell gut unterstützen, in dem du die Verwendung eines Redeobjekts vorschlägst.
Als Redeobjekt kannst du – je nachdem wie es dir passend erscheint – einen Stein, ein Holzstück aus dem Garten oder einen Flipchart-Marker verwenden. Wenn eine Person sprechen möchte, ergreift sie das Redeobjekt. Wenn sie gesprochen hat, legt sie es in die Mitte zurück. Solange die Person das Redeobjekt in ihren Händen hält, hat sie einen exklusiven und geschützten Gesprächsraum. Der darf auch Pausen beinhalten, um innezuhalten, nachzudenken, einen Gedanken zu formulieren.
Durch den Gebrauch des Redeobjekts wird sich das Gespräch automatisch entschleunigen. Die Sprecherin muss keine Sorge haben, dass ihr jemand ins Wort fällt. Andere Gesprächsteilnehmer:innen müssen sich nicht darauf konzentrieren, einen kurzen Moment des Luftholens des aktuellen Sprechers dafür nutzen zu können, den eigenen Beitrag einzubringen.
Wenn du im Gespräch auch dafür Sorge tragen möchtest, dass jede Teilnehmer:in die Möglichkeit hat sich einzubringen, kannst du das Redeobjekt mit dem Reihum-Sprechen kombinieren: Das Redeobjekt wird dann reihum im Kreis weitergereicht, jede die möchte, kann einen eigenen Beitrag einbringen. Das bietet sich z.B. für den Check-In an. Für die Entscheidungsfindung im Konsent wird beispielsweise die Meinungsrunde in diesem Modus abgehalten.
Der Gong
Eine weitere strukturelle Hilfe für die Entwicklung von Achtsamkeit für die passende Geschwindigkeit eines Gesprächs kann die Verwendung eines Gongs oder einer Zimbel sein.
Jede Gesprächsteilnehmer:in kann vom Gong Gebrauch machen. Und zwar immer dann, wenn sie den Eindruck hat, dass das Gespräch gerade zu schnell geworden ist (wenn sich z.B. Teilnehmer:innen ins Wort fallen oder sich eine Ungeduld einstellt, auch endlich das Redeobjekt zu sich nehmen zu können). Solange dann der Klang des angeschlagenen Gongs im Raum ist, üben sich alle Teilnehmer:innen in Stille und nehmen ein paar beruhigende Atemzüge.
Spiegeln
Wenn du in einem Zweier- oder Dreiergespräch bist, kannst du die Technik des Spiegelns einsetzen. Spiegeln bedeutet, dass eine der zuhörenden Personen in eigenen Worten wiedergibt, was sie von der sprechenden Person gehört hat.
Spiegeln unterstützt das Einüben insbesondere der Dialog-Kompetenzen des generativen Zuhörens und des Suspendierens eigener Gedanken. Denn es ist zunächst eine Dienstleistung der Zuhörenden für den Sprecher: Dieser hört aus dem Mund einer anderen Person, was bei dieser vom eigenen Redebeitrag angekommen ist und kann sich so beim Denken entdecken. Weiters bringt das Wissen, später die Aufgabe des Spiegelns zu haben, die Zuhörerin in eine andere Qualität des Zuhörens: Der Fokus auf das, was der Sprecher gerade sagt, wird deutlich größer. Es gelingt leichter, eigene Gedanken zu suspendieren.
Der Geschenks-Korb
Zur Unterstützung der Dialog-Kompetenz des Vom-Herzen-Sprechens kannst du die oben bereits erwähnte Metapher des Geschenkskorbs am Beginn des Gesprächs einführen.
Fordere die Gesprächsteilnehmer:innen auf, eigene Redebeiträge als Geschenke an die Gesprächsrunde zu sehen, die sie in die gemeinsame Mitte in einen virtuellen Geschenkkorb legen. Das Geschenk ist zunächst ein Angebot an alle anderen. Erst später wird sich im Gesprächsverlauf herausstellen, welche der gesammelten Geschenke sich für Einzelne oder die Gruppe als nützlich erweisen.
Offene Fragen
Die Dialog-Kompetenz des Erkundens kannst du im Gespräch mit dem Stellen von offenen Fragen üben. Eine offene Frage ist eine solche, die sich nicht mit ja oder nein beantworten lässt, sondern im Idealfall zu einem Nachdenken und einem weiteren Ausführen der Gedanken des Sprechenden ermutigt.
Gib dich also nicht mit einer knappen Ausführung deines Gegenübers zufrieden, wenn du dir nicht sicher bist, wie sie genau gemeint ist. Stelle “unschuldige” Fragen, wie sie vielleicht ein junges Kind in seiner forschenden Neugier stellen würde. Beispielhafte Fragen könnten etwa sein: Wie genau meinst du das? Kannst du das noch genauer beschreiben? Oder schlicht: Was noch?
Die Gefahr ist nämlich sonst groß, dass du Informationen, die dir im Redebeitrag anderer für dein Verständnis fehlen, durch eigene Vermutungen ergänzt, die du dir aufgrund deiner eigenen Erfahrungen zusammenbastelst.
Abschluss – Eine Kurzfassung der Kompetenzen
Beenden möchte ich diesen Blog-Beitrag zu “Kompetenzen für gelingenden Dialog” mit meiner Kurzfassung dazu, wie Dialog gelingen kann. Ich verwende sie immer dann, wenn ich in einem Workshop nur wenig Zeit für die Einführung in ein dialogisches Format habe, beispielsweise am Beginn eines World Cafés. Meine Worte lauten dann ungefähr so:
“Wie kannst du zu einem gelingenden Dialog beitragen? Stell dir vor, du hörst gerade jemanden in deiner Gruppe zu, und auf einmal hörst du in deinem Inneren einen Dialog zwischen zwei Stimmen, nämlich jener deines inneren Teufelchens und einem inneren Engel. Das Teufelchen ist schon ganz ungeduldig und meint: ‘Wann darf ich denn jetzt endlich selber sprechen? Ich hab etwas ganz Wichtiges zu sagen!’ Das Engelchen meint daraufhin: ‘Hab noch etwas Geduld, bleibe gelassen! Es ist gerade so spannend, der anderen Person zuzuhören. Lass uns noch ein wenig zuwarten. Bestimmt kommt noch der passende Moment, in dem auch du sprechen kannst!’ Wann immer du im Folgenden diese beiden Stimmen in dir wahrnimmst, entscheide dich doch für die Sicht des Engelchens!” Oder als kurzes Prinzip formuliert: Priorisiere im Zweifel das Zuhören über das Sprechen!
4 Kommentare
Mir gefällt die Zusammenfassung der dialogischen Kompetenzen sehr gut! V.a. finde ich die Metapher mit dem Geschenk sehr sehr schön. Das werde ich mir merken und gleich übernehmen. 😉
Beim lesen des Textes hatte ich gleich wieder die Karten zu den dialogischen Kernfähigkeiten vor mir, die sich im „Kunst des Dialogs“ der beiden Hartkemeyers befinden. Auf der Karte zu Dialog steht auf der Rückseite: „es gibt keine Methode. Es gibt nur Achtsamkeit“. Genau das kommt in deinem Text und v.a. in deiner Zusammenfassung wunderbar heraus. Wirklich schön.
Eine Übung ist mir eingefallen, die sowohl simpel als auch mächtig ist. Counseling. Wenn eine Person ein dringendes und bewegendes Anliegen hat kann es sehr heilend sein, wenn diese Person seinen Gesprächspartner bittet 5 Minuten offen zuzuhören mit aller Achtsamkeit, eigene Gedanken und aufkommende Gefühle zu suspendieren und die eigene Meinung dazu in Schwebe zu halten. Danach gibt es keine Reaktion, Gespräch oder Dialog vom Gesprächspartner (eigentlich Aufmerksamkeitspartner). Es ist so spannend was in diesem „einseitigen“ Gespräch im Reden alles ineinanderfließt und was sich Neues daraus ergibt für beide Seiten. Auch wie spannend und erfrischend zuzuhören und nicht gleich eine Reaktion oder ja, aber parat zu haben. Sich dabei selbst zu beobachten und dennoch in Resonanz mit seinem Partner zu gehen.
Es lohnt sich das Mal auszuprobieren mit einer Person des Vertrauens 😉
Lieber Christian!
Vielen Dank für deine Reaktion – es freut mich sehr, wenn du die eine oder andere Anregung mitnehmen kannst auf deiner Dialog-Reise 🙂
Das von dir beschriebene Counseling finde ich sehr anregend. Dieses Woche ist mir diese Übung beinahe „passiert“. Ich verabrede mich immer wieder mal montags morgens mit einer lieben Freundin zu einer „Empathiedusche“, die ziemlich ähnlich abläuft wie von dir beschrieben. Mit dem Unterschied, dass wir am Ende als Aufmerksamkeitspartner Resonanzen teilen. Dieses Mal ist uns allerdings die Zeit knapp geworden, und das Teilen der Resonanzen ist sehr kurz ausgefallen. Und trotzdem konnte die sprechende Person sehr viel zu ihrem Anliegen mitnehmen.
Lieber Gregor, vielen vielen Dank für diese tolle Zusammenfassung! Wir beschäftigen uns an der Uni gerade sehr viel damit, wie wir besser Dialoge herstellen können (statt Gegenüberstellungen, die unvereinbar sind). Die Differenzierung zwischen Dialog und Diskussion finde ich dabei hilfreich, wobei ja auch Diskussionen als Dialog gestaltet werden können.
Ich werde es mitnehmen in meine Arbeit und meine Dialoge :o)
Liebe Britt, vielen Dank für deine Rückmeldung, die mich sehr freut. Und ja, mit deinen Gedanken zu Dialog vs. Diskussion kann ich sehr gut mitgehen 🙂 Alles Gute bei deiner Gestaltung von guten Gelegenheiten für Dialog!