In meiner Artikelserie über Agile HR habe ich einen Beitrag dem Thema Peer Review als Alternative zum Mitarbeitergespräch gewidmet. Mit diesem Beitrag lege ich nach und beschreibe ein konkretes Workshop-Setting, das ich sehr erfolgreich bei einem meiner Kunden eingesetzt habe. Warum erfolgreich? Die Auflösung folgt im Laufe dieses Beitrags.
Deshalb sticht das Peer Review
Zunächst fasse ich hier noch einmal die wesentlichen Vorteile eines Peer Reviews gegenüber dem klassischen Mitarbeitergespräch zusammen. Wer es ausführlicher will, schaut bitte hier nach.
- Der Mitarbeiter bekommt Feedback von seinen Peers, also von Leuten die mit ihm arbeiten und ihn am besten kennen.
- Im Team (innerhalb der Peers) fehlt das Hierarchiegefälle, Vertrauen für offenen Austausch entsteht viel leichter.
- Der Fokus verändert sich weg vom Beauty Contest hin zur ehrlichen Untersuchung der Weiterentwicklungspotentiale.
- Betrachtet werden Verhalten und Leistungen des Mitarbeiters im Kontext seines Teams, und nicht die individuelle Performance.
So klappt das Peer Review
Warum überhaupt das Peer Review in Form eines Team-Workshops? Weil sich so ein sehr zeitökonomisches Format entwickeln lässt, in dem in einem halben Tag alle Teammitglieder Ihr individuelles Peer Review bekommen.
Wie habe ich den Workshop bei meinem Kunden angelegt? Das folgende Bild zeigt den grundlegenden Ablauf:
Ablauf Peer Review Workshop
Der Peer Review Workshop beginnt mit einer Einstiegssequenz, welche die Teilnehmer in eine positive Grundstimmung versetzen soll. Ich habe dazu die Brillanten Momente verwendet, die ich mir bei meiner lieben Kollegin Veronika Jungwirth abgeschaut habe. Das Team bildet dazu Paare. Die eine Person erzählt drei Minuten von einem brillanten Moment der letzten Zeit. Die andere Person hört aufmerksam zu und bildet für sich Hypothesen über die Stärken des Gegenübers, die diesen brillanten Moment möglich gemacht haben. Anschließend erzählt der Zuhörer seinem Gegenüber drei Minuten über diese Hypothesen. Eine großartige Übung, die viele positive Emotionen hervorruft und gleichzeitig wertschätzendes Zuhören übt.
Weiter geht es mit einer Übung zur Selbstreflexion. Für einen einfachen Einstieg in einen offenen Dialog habe ich dazu als Setting ein paarweises Interview an Hand von Leitfragen gewählt: Gegenseitig stellen sich die Teilnehmer z.B. folgende Fragen:
- Was ist Dir im vergangenen halben Jahr richtig gut gelungen? Worauf bist Du stolz?
- Was hat nicht so gut funktioniert? Würdest Du anders machen?
- Welche Veränderungen schlägst zu in Bezug auf Deine Aufgaben bzw. Rollen vor?
Anschließend haben beide Teilnehmer die Gelegenheit, das gerade im Interview Gesagte zu reflektieren, und daraus eine Frage abzuleiten, die sie gerne den Teamkollegen im nächsten Teil des Workshops stellen möchten.
Es folgt nun das Kernelement des Workshops, das Peer Feedback durch die Teamkollegen. Jedes Teammitglied erhält von all seinen Kollegen eine individuelle Einschätzung zu folgenden Fragen:
- Was ist das eine Ding, das ich am meisten in der Zusammenarbeit mit Dir schätze?
- Was ist ein Gebiet, wo ich fühle, dass Du Dich verändern und wachsen könntest?
- Jene Frage, die das Teammitglied sich am Ende des vorigen Workshopelements überlegt hat.
Ausgerüstet mit diesem wertvollen Feedback der Teamkollegen machen sich die Teilnehmer nun auf zur Erarbeitung von Ansätzen für eine persönliche Weiterentwicklung. Auch diese kleine Reise findet wieder in paarweisen Interview und unterstützt durch Leitfragen statt. Gefragt wird hier z.B.
- Was hast Du heute über Dich gelernt?
- Was nimmst Du aus dem heutigen Workshop mit? Womit möchtest Du Dich weiter beschäftigen?
- In welchen Bereichen möchtest Du Dich konkret weiterentwickeln?
Mit diesem zweiten Interview hat nun jeder Teilnehmer einen großen Schatz an Ideen vorliegen, wohin seine persönliche Weiterentwicklungsreise gehen kann. Um diese Ideen zu konkretisieren, bekommt jeder Teilnehmer nun noch einen Arbeitsauftrag, der ihn anleitet, aus dem heute Gesammelten zwei konkrete Weiterentwicklungsziele auszuformulieren. Um das Commitment zu den eigenen Weiterentwicklungszielen zu erhöhen, sollten sich die Teilnehmer in einem zeitnahen Follow-Up zum Workshop ihre Ziele gegenseitig vorstellen.
Der Workshop endet mit einer klassischen Schluss-Sequenz, wie man sie beispielsweise aus agilen Projektretrospektiven kennt, beispielweise eine Skalenaufstellung zur Einschätzung der Sinnhaftigkeit und der Wirksamkeit des Peer Review Workshops.
Und warum war der Workshop erfolgreich?
Ich habe den Workshop bei meinem Kunden mit zwei Pilot-Teams durchgeführt.
Das Feedback der Teilnehmer war durch die Bank sehr positiv. In den Skalenaufstellungen am Schluss gab es zu Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit jeweils Werte zwischen 7 und 10 Punkten.
Eine nachfolgende Evaluierung der beiden Workshops durch den Kunden hat nun zum Entschluss geführt, den Workshop als Standardinstrument auf alle Teams des Unternehmens auszurollen.
Schön, oder?
Was sollten Sie für Ihren eigenen Peer Review Workshop beachten?
Lassen Sie den Peer Review Workshop durch einen teamexternen Facilitator begleiten. Das muss nicht unbedingt ein externer Coach sein (auch wenn mich das sehr freuen würde :-), jedoch jedenfalls jemand, der im betrachteten Team keine Aktien im Spiel hat und entsprechend neutral agieren kann.
Damit der Workshop in einem halben Tag abgehalten werden kann, muss sehr strikt auf die Zeit geachtet werden. Es braucht hier Fingerspitzengefühl, um immer wieder ad hoc zu entscheiden, ob eine Diskussion noch Raum braucht oder im Sinne der gemeinsam zu nutzenden Zeit abzubrechen ist.
Achten Sie darauf, dass es tatsächlich zu einem Follow-Up zum Workshop kommt, in dem sich die Teammitglieder gegenseitig ihre Weiterentwicklungsziele vorstellen. Dieses Explizieren der persönlichen Ziele wird das Commitment deutlich erhöhen.
Zu guter Letzt
Sie erhalten mit diesem Beitrag hoffentlich wertvolle Tipps zum Thema Peer Review. Wenn Sie das auch so sehen, wäre da eine kleine Gegenleistung nicht fair? Ich freue mich sehr über ein Teilen dieses Artikels in Ihrem Netzwerk!
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