Wichtige Elemente in der von uns gerne verwendeten Transformationsarchitektur für die Begleitung von Veränderungsinitiativen sind das Transformationsteam (Schrittmacher des Veränderungsvorhabens) und die Resonanzgruppe (Feedbackgeberin zum Fortschritt des Veränderungsvorhabens, Hinweisgeberin für nächste Interventionen).
Wie können diese beiden Gruppen gut miteinander in Kontakt gebracht werden? In diesem Blog-Beitrag beschreibe ich ein Format, das ich vor kurzem bei einem meiner Kund:innen verwendet habe.
Der Kunde befindet sich gerade auf einer vom Geschäftsführer initiierten Entwicklungsreise hin zu einem kollegial geführten Unternehmen. Das ist ein Ansatz, der von Claudia Schröder und Bernd Österreich entwickelt und beschrieben wurde, in dem Führung hochgradig in der Organisation verteilt wird, mit dem Ziel, eine sehr anpassungsfähige Organisation zu entwickeln. (Mehr dazu findest du im Blog-Artikel Buchtipp Agile Organisationsentwicklung.)
Der Start dieser Entwicklungsreise war vor etwa einem dreiviertel Jahr. In diesem Jahr ist viel passiert: Es hat sich ein Transformationsteam konstituiert, in diesem Ansatz Selbstorganisationskreis oder kurz SOK genannt, das Transformationsteam hat einen für diese Organisation passenden Prozess entwickelt, wie Kreise gegründet und somit (Entscheidungs-)Verantwortungen von Kolleg:innen übernommen werden können, es haben sich erste Dienstleistungskreise entsprechend dieses Ablaufs gegründet.
Und gleichzeitig war im Transformationsteam auch eine gewisse Ungeduld oder vielleicht auch Enttäuschung spürbar. Die Erwartung war vielleicht, dass alles (noch) viel schneller gehen könnte und sollte.
Zeit also, das Transformationsteam mit der Resonanzgruppe in Kontakt zu bringen, um der Organisation mal den Puls zu fühlen.
Das Kundenunternehmen hat ca. dreißig Mitarbeitende, damit können gut alle Organisationsmitglieder die Resonanzgruppe bilden.
Ziel und Zweck der Übung
In der Vorbereitung des Treffens mit der Resonanzgruppe durch den Selbstorganisationskreis hat es Zweck, Ziele und Ergebnisse so definiert:
- Wir möchten gemeinsam mit allen Organisationsmitgliedern in den Dialog dazu gehen, wo wir gerade stehen bei unserem Vorhaben, ein kollegial geführtes Unternehmen zu werden.
- Insbesondere möchten wir gerne als gesamte Organisation aus dem ersten dreiviertel Jahr Veränderung lernen und insbesondere hilfreiche bzw. weniger hilfreiche Muster erkennen, nach denen wir uns verhalten.
- Als konkreten Output hätten wir gerne gemeinsam formulierte Leitprinzipien, die uns jetzt helfen können, gute nächste Schritte in der Veränderung zu gehen.
Das Design des Workshops
Als Zeitrahmen für das Aufeinandertreffen von Transformationsteam und Resonanzgruppe war ein Halbtag vorgesehen. Neben den für uns sehr wichtigen Standard-Elementen eines gemeinsamen Check-Ins (in Präsenz kommen, sich mit dem Thema verbinden) und Check-Outs (kurze Lernschleife am Ende) habe ich im Kern auf ein Design gesetzt, das aus drei Teilen bestand: Einer öffnenden Fishbowl mit dem Transformationsteam, einem World Café mit der Resonanzgruppe und einer schließenden Fishbowl wiederum mit dem Transformationsteam. Dies möchte ich nun gerne genauer mit dir teilen:
1. Öffnende Fishbowl mit dem Transformationsteam
Gestartet habe ich damit, dass ich die fünf Mitglieder des Transformationsteams interviewt habe. Ich habe sie in diesem Interview einerseits nach interessanten Beobachtungen in der Organisation gefragt und sie andererseits auch um Hypothesen (vermutete Wirkzusammenhänge) gefragt, die diese Beobachtungen erklären könnten.
Die Mitglieder des Transformationsteams konnten so würdigen, was alles schon geschehen ist in dem dreiviertel Jahr und gleichzeitig auch einige ihrer Sorgen transparent machen. Beispielsweise, dass die (auch) intendierte Entlastung des Geschäftsführers bisher noch nicht spürbar ist oder dass es die Hypothese gibt, dass es ein paar Gründe gibt, warum Kolleg:innen zögerlich sind, die angebotenen Verantwortlichkeiten auch zu übernehmen.
Verwendet habe ich dazu das Format einer Fishbowl. Das bedeutet, dass ich mit den Interviewten einen Innenkreis aus Stühlen gebildet habe. Um uns angeordnet waren in einem Außenkreis die übrigen Organisationsmitglieder. Im letzten Drittel des Interviews haben wir die Fishbowl “geöffnet”, in dem wir Menschen aus dem Außenkreis eingeladen haben, auf einen der beiden freien Stühle im Innenkreis zu kommen und sich zu dem im Interview Gehörten in Beziehung zu setzen. Das war quasi die Überleitung zum nächsten Designelement.
2. World Café mit der Resonanzgruppe
Fortgesetzt haben wir mit einem World Café, an dem das Transformationsteam und die gesamte Resonanzgruppe teilgenommen hat. Es bestand aus drei Gesprächsrunden und einer abschließenden Ernterunde:
- Die erste Gesprächsrunde sollte der Verarbeitung des in der Fishbowl vom Transformationsteam Gehörten dienen. Als Leitfragen habe ich beispielsweise verwendet: Was hast du aus dem Interview rausgehört? Welche Sichten teilst du? Wo bist du anderer Meinung? Was siehst oder nimmst du sonst noch wahr, das im Interview nicht gesagt wurde?
- Die zweite Gesprächsrunde sollte den Blick auf die unmittelbare Zukunft richten: Was könnte helfen, damit wir weiterkommen? Konkretisierende Leitfragen für diese Blickrichtung waren beispielsweise: Wo braucht es für dich noch mehr Klarheit? Was würde dir helfen, dich (noch) mehr einzubringen?
- In der dritten Gesprächsrunde sollten sich die Teilnehmer:innen mit konkreten Leitprinzipien auseinandersetzen, die der Organisation jetzt helfen könnten – im Sinne von: Darauf kannst du dich berufen, wenn’s mal schwierig wird! Hier waren leitende Fragen beispielsweise: Was brauchst du konkret, um gerne Arbeit & Energie in die agile Organisationsentwicklung zu investieren? Welche expliziten Vereinbarungen / Zusicherungen würden helfen, dass sich noch mehr von uns in die kollegiale Führung einbringen?
- In der das World Café abschließenden Ernterunde habe ich jede Tischformation des World Cafés gebeten, zwei bis drei Leitprinzipien im Sinne der dritten Gesprächsrunde auf großen Klebezetteln zu formulieren. Diese Formulierungen haben wir dann abschließend im Plenum vorgestellt und auf einer Pinnwand arrangiert.
Mit dieser Ernte habe ich dann in einem dritten Designelement wiederum das Transformationsteam befasst:
3. Schließende Fishbowl mit dem Transformationsteam
Dafür bat ich die Mitglieder des Selbstorganisationskreises wieder in die gleiche Fishbowl-Formation wie zum Beginn der Veranstaltung zu kommen, die übrigen Teilnehmer:innen haben wiederum einen Außenkreis gebildet.
Auch in dieser Fishbowl habe ich zunächst wieder Fragen ausschließlich an die Mitglieder des Selbstorganisationskreises gestellt. Diese Fragen sollten der Reflexion des im World Cafés Gehörten und insbesondere der entstandenen Skizzen für hilfreiche Leitprinzipien dienen. Als anregende Fragen habe ich beispielsweise verwendet:
- Welche Muster seht ihr in der Ernte?
- Was sind eure Schlüsse, die ihr aus der Ernte zieht?
- Wie könnt Ihr als SOK nun für die Organisation nützlich sein?
- Worauf möchtet ihr euch konzentrieren?
Auch hier haben wir die Fishbowl im Verlauf wieder für alle Organisationsmitglieder geöffnet, und zwar im Vergleich zur öffnenden Fishbowl zeitlich etwas früher. So konnten wir einige wertvolle Hinweise in das Gespräch mit dem Selbstorganisationskreis integrieren.
Learnings aus diesem Design
Das aus drei Schritten bestehende Design aus Fishbowl, World Café und abermals Fishbowl hat sich als Backbone des Workshops aus meiner Sicht gut bewährt:
Das behutsame, schrittweise Öffnen und Einbeziehen aller Organisationsmitglieder in einen gemeinsamen Dialog ist durch den Zwischenschritt der öffnenden Fishbowl gut gelungen. Im World Café wurde von Beginn der ersten Runde weg sehr angeregt gesprochen. Die Beobachtungen und Hypothesen des Transformationsteams im O-Ton waren da sicherlich hilfreich.
Die unmittelbare Resonanz des Transformationsteams auf die Ernte war sehr wichtig, um ein paar wechselseitige Unklarheiten und Irritationen auszuräumen, die es nach der Ernte gab, und sie war gleichzeitig noch eine gute Übung zur Durchdringung der Ernte.
Das Design hat aus meiner Wahrnehmung für einen guten Kontakt zwischen dem Transformationsteam und allen Organisationsmitgliedern gesorgt. Ich hatte den Eindruck, …
- dass beim Tranformationsteam angekommen ist, dass sich “alle” mehr und öfter Informationen dazu wünschen, was das Transformationsteam macht, womit es ringt, an welchen Punkten es Zweifel hat – es soll gerne auch Unfertiges berichten.
- dass bei “allen” angekommen ist, dass die Veränderung ein Thema ist, bei dem alle mitwirken dürfen und sollen, verbunden mit der vom Geschäftsführer ausgesprochenen Einladung, mehr zu machen.
- dass beim Geschäftsführer angekommen ist, dass die Muster der Vergangenheit halt immer noch stark wirken, und dass es noch große Unsicherheit bei den Kolleg:innen gibt, wirklich selbst Initiative zu zeigen und Zeit für dieses Thema zu investieren: “Mache ich es gut genug?, “Darf ich wirklich Zeit dafür verwenden?” „Wieviel Zeit ist gut?”.
Für das Transformationsteam war das offene Aussprechen seiner Gedanken vor allem zu Beginn des Workshops etwas ungewohnt: “Kann ich das jetzt so sagen?” – im kleinen Kreis wurde noch beherzter gesprochen. Aber das ist im Laufe der Zeit deutlich besser geworden.
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