Zwischen Feedback und Konflikt – der Veränderungsimpuls

Wir beschäftigen uns in unseren Entwicklungsprogrammen für Führungspersönlichkeiten intensiv mit Themen wie Feedback und Konflikt. Dabei fällt uns in den Dialogen mit den Teilnehmer:innen immer wieder auf, mit welch unterschiedlichen Bedeutungen das Wort Feedback assoziiert ist.

Manche verstehen unter Feedback ein Geschenk an die andere Person, andere möchten damit erreichen, dass die andere Person ein konkretes Verhalten verändert, wieder andere möchten damit eine als konfliktär erlebte Situation klären.

In diesem Artikel werde ich zunächst versuchen, diese drei Anliegen voneinander abzugrenzen. Anschließend stelle ich mit dem Vereinbarungsdialog ein Format vor, das du verwenden kannst, wenn du einer anderen Person einen konkreten Impuls zur Veränderung geben möchtest.

Entwicklungsfeedback, Veränderungsimpuls, Konflikt

In unserer Arbeit mit Führungskräften haben wir im Laufe der Zeit ein einfaches Modell entwickelt, um Feedback im engeren Sinn von Anliegen abzugrenzen, die zwar nahe am Wort Feedback dran sind, jedoch letztlich einen deutlich anderen Zweck verfolgen.

Wie du der nachstehenden Grafik entnehmen kannst, unterscheiden wir in diesem Modell entlang einer Skala zwischen den drei Anliegen Entwicklungsfeedback geben, Veränderungsimpuls geben und Konflikt klären.

Kurzretrospektive - wenn mal wenig Zeit ist

Aufgereiht sind diese drei Anliegen entlang einer Achse, die wir anhand von zwei Fragen erklären:

  • Wie stark ist dein eigenes Anliegen in dieser Situation?
  • Wie stark ist deine eigene emotionale Betroffenheit in der Situation?

Entwicklungsfeedback geben

Wenn du Entwicklungsfeedback geben möchtest (so bezeichnen wir Feedback im engeren Sinn), ist dein eigenes Anliegen in der betreffenden Situation sehr gering. Du stellst dein Feedback zu einem (vielleicht auch wiederholt beobachtbaren) konkreten Verhalten einer Person als Geschenk zur Verfügung: Die Person alleine entscheidet, was sie mit deinem Geschenk macht. Sie kann es als sehr wertvoll empfinden und intensiv darüber nachdenken, was es für sie bedeuten soll, sie kann es aber auch einfach in die Ecke ihres Schrankes stellen. Deine Absicht ist lediglich, deine Beobachtungen und Interpretationen dieser Person als Fremdbild zur Verfügung zu stellen.

In unserem Blog-Artikel “Feedback niederschwellig in der Organisation verbreiten” beschreiben wir zwei einfach anwendbare Formate für solche Anliegen.

Einen Veränderungsimpuls geben

Wenn du einen Veränderungsimpuls geben möchtest, hast du ein eigenes Anliegen, das du im Gespräch mit einer Person thematisieren möchtest. Das kann beispielsweise sein, dass du als Führungskraft einer von dir geführten Person sagen möchtest, dass du ein bestimmtes Verhalten aus der Perspektive der Organisation nicht haben möchtest, weil du es als potentiell schädlich einschätzt. In einem selbstorganisierten Umfeld kann es sein, dass du das Anliegen hast, die Art der Zusammenarbeit mit einer Person so zu verändern, dass sie aus deiner Sicht effektiver oder leichter von der Hand geht. Hier möchtest du also, dass die andere Person etwas anders macht als aktuell. Möglicherweise spürst du zu deinem Anliegen auch schon eine gewisse emotionale Betroffenheit, beispielsweise eine gewisse Frustration über eine wiederholt auftretende Situation.

Für ein solches Anliegen beschreibe ich weiter unten das Format des Vereinbarungsdialoges.

Einen Konflikt klären

Der Übergang zur Konfliktklärung ist hier fließend. Wenn du eine hohe emotionale Betroffenheit spürst, sobald du an dein Anliegen denkst, könnte es sein, dass du mit deinem Anliegen einen Konflikt klären möchtest. Das ist nicht so grundsätzlich anders als einen Veränderungsimpuls zu setzen, jedoch spielen die Emotionen von dir und deinem Gegenüber eine intensivere Rolle. Aus diesem Grund wird es gut sein, dass du dich bei der Thematisierung deines Anliegens mit deinem Gegenüber von einer dritten Person als Facilitator:in begleiten lässt: in einem Ablauf, der diesen Emotionen einen breiten und psychologisch sicheren Raum gibt.

In unserem Blog-Artikel “Clear the Air – der Kulturansatz zur Konfliktklärung“ stellen wir unter anderem ein hilfreiches Format für die Gesprächsführung in einer Konfliktsituation vor.

Veränderungsimpuls mittels Vereinbarungsdialog

Ich stelle dir im Folgenden ein Format vor, das du verwenden kannst, um in einem Gespräch mit einer anderen Person deinen konkreten Wunsch nach Veränderung im Verhalten dieser Person zu besprechen.

Wir nennen dieses Format den Vereinbarungsdialog. Du kannst dieses Format ohne Begleitung durch eine Moderator:in einsetzen. Im Begriff selbst findest du schon zwei wertvolle Hinweise: Es geht darum, eine konkrete, von beiden Seiten mitgetragene Vereinbarung (zur Veränderung) zu entwickeln. Und zwar im Dialog, d.h. in einem Gespräch auf Augenhöhe, in dem beide Seiten ihre Perspektive gut darlegen können und bei dem idealerweise im gemeinsamen Gespräch ein Lösungsweg für dein Anliegen entsteht.

Bereite dich auf das Gespräch vor

Bevor du das Gespräch führst, nimm dir ausreichend Zeit, um dich darauf vorzubereiten. Nimm dir am besten einen Stift und Papier zur Hand und mach dir Notizen zu diesen Leitfragen:

  • Was ist das Thema, der Kontext?
  • Was ist mein Anliegen, warum möchte ich dieses Gespräch führen?
  • Was ist die von mir vermutete Sichtweise meiner Gesprächspartnerin? Wie könnte sie die Situation wahrnehmen?
  • Wie groß ist meine Spannung, meine emotionale Betroffenheit auf einer Skala von 1 (sehr gering) bis 10 (sehr groß)? Was führt mich zu dieser Einschätzung? (Anmerkung: Wenn du hier einen sehr hohen Wert gibst, stell dir die Frage, ob du nicht besser in eine extern unterstützte Konfliktklärung gehen möchtest.)
  • Wie werde ich meine:n Gesprächspartner:in einladen? Worauf möchte ich dabei achten? Welche Bilder, Ideen, Gefühle könnten bei meiner Gesprächspartner:in durch meine Einladung entstehen?

Lade die andere Person zum Gespräch ein

Wenn du dir selbst mit Hilfe der im vorigen Abschnitt angeführten Fragen ein klareres Bild zu deinem Anliegen verschafft hast, ist es Zeit, eine Einladung an deine:n Gesprächspartner:in auszusprechen.

Meine starke Empfehlung ist es, dass du diese Einladung im persönlichen Gespräch aussprichst und nicht in schriftlicher Form. Du kannst auf diese Weise viel besser erkennen, wie die andere Person auf deine Einladung reagiert und passend darauf eingehen: Ist sie verwundert? Macht sie sich Sorgen? Was von deiner Einladung ist bei der anderen Person angekommen – frage gerne nach!

Als Zeitspanne probiere es mal mit 45 Minuten. Damit kommt ihr in der Regel ohne Hast durch die gleich vorgestellte Gesprächsstruktur. Eine längere Dauer könnte bei deinem Gegenüber die Sorge entstehen lassen, dass da eine Riesensache auf sie zukommt. Versucht den Termin so zu legen, dass ihr eventuell auch ein paar Minuten länger sprechen könnt, dass also keine:r von euch schon gedanklich auf den Sprung in den nächsten Termin ist.

Führe den Vereinbarungsdialog

Für das Gespräch kannst du nachfolgende Gesprächsstruktur als Leitfaden verwenden.

Wir haben gute Erfahrung damit gemacht, die vier Schritte zu Beginn auch deiner Gesprächspartnerin vorzustellen, indem du sie beispielsweise auf einer Flipchart dauerhaft sichtbar visualisierst. Das gibt euch beiden Sicherheit und Orientierung für euer Gespräch.

Eröffne

Erläutere kurz, was das Thema aus deiner Sicht ist. Spanne den Kontext auf: Was ist der konkrete Anlassfall, der Auslöser für deine Bitte um das Gespräch?

Passe auf, dass du hier nicht gleich abtauchst in die Schilderung deiner Sicht auf die Dinge. Dazu hast du in Schritt (3) ausreichend Gelegenheit.

Lerne die andere Perspektive kennen

Bitte nun deine:n Gesprächspartner:in, zunächst ihre Perspektive auf das Thema darzulegen. Wie hat sie die Situation erlebt? Wie geht es ihr damit?

Versuche am Ende zu spiegeln (d.h. in eigenen Worten zusammenzufassen), was du von deiner Gesprächspartner:in gehört hast. Fokussiere dich dabei darauf, was du wirklich von der anderen Person gehört hast. Frage deine:n Gesprächspartner:in, ob alles Wesentliche bei dir gelandet ist. Lade sie explizit ein, Ergänzungen oder Korrekturen anzubringen!

Zeige deine Sichtweise auf

Stelle nun deine Sichtweise auf die Situation dar. Zeige gerne die Auswirkungen auf dich, das Umfeld, die Organisation dar, die du beobachtest oder vermutest. Markiere dabei auch sprachlich, ob du beobachtest (“Ich beobachte, dass …”) oder vermutest (“Ich nehme an, dass …”).

Bitte am Ende deine:n Gesprächspartner:in, das von dir Gesagte zu spiegeln. Stelle beispielsweise die Frage: “Was ist bei dir angekommen? Was hast du von mir gehört?” Wenn du etwas Wesentliches vermisst oder du erkennst, dass da etwas ganz anders gelandet ist als du es sagen wolltest, versuche entsprechend zu ergänzen oder zu korrigieren.

Erarbeitet eine Lösung

Jetzt, da beide Sichtweisen auf dem Tisch liegen, ist es Zeit, eine Lösung zu erarbeiten, die einerseits deinem Anliegen Rechnung trägt und andererseits auch die Perspektive deines Gegenübers integriert, sodass sie von beiden Seiten mitgetragen werden kann.

Du könntest damit starten, zunächst mal deine:n Gesprächspartner:in zu fragen, welche Aspekte für eine gemeinsame Lösung für sie wichtig wären und ob sie schon Ideen für eine konkrete Vereinbarung hätte. Oder du startest mit einer eigenen Idee, die du für die Adressierung deines Anliegens hast.

Für welchen Beginn du dich entscheidest, kannst du davon abhängig machen, ob du ein Autoritätsgefälle zwischen auch beiden wahrnimmst. Das kann durch formelle Hierarchie bedingt sein oder beispielsweise auch durch Seniorität. Aus unserer Erfahrung ist es günstig, dass die Person mit der geringeren Autorität mit einem Vorschlag startet, denn: Autorität ankert – es ist schwierig, etwas anderes vorzuschlagen, wenn einmal der Vorschlag der “Autorität” auf dem Tisch liegt.

Vereinbart konkrete nächste Schritte

Versucht nun abschließend, möglichst konkret dabei zu werden, wie ihr die von euch erarbeitete Lösung umsetzen werdet: Was sind die ersten konkreten Schritte, die jede:r von euch setzen wird? Woran werdet ihr konkret sehen, dass diese Schritte gesetzt sind?

Wahrscheinlich ist es auch eine gute Idee, schon jetzt einen Termin für ein Folgegespräch zu vereinbaren, in dem ihr gemeinsam bewertet, wie gut euch diese ersten Schritte gelungen sind, und wo ihr eventuell noch nachlegen möchtet. Schlage den Termin zeitlich so vor, dass angemessen Zeit für die Umsetzung der Schritte und der Beobachtbarkeit ihrer Auswirkungen zur Verfügung steht. Andererseits sollte der Folgetermin ausreichend zeitnahe sein, dass er zu unmittelbarem Handeln einlädt.

Wie du wahrscheinlich bemerkt hast, ist die Reihenfolge der Schritte (2) und (3) ungewöhnlich. Es handelt sich um dein Anliegen und trotzdem lädst du deine:n Gesprächspartner:in ein, mit ihrer Sicht auf die Dinge zu starten. Ist das sinnvoll? Aus meiner Sicht:Ja! Sei dir bewusst, dass du zu deinem Anliegen einen Denkvorsprung hast. Du hast schon intensiv darüber nachgedacht, hast dich auf dieses Gespräch vorbereitet. Wenn du im Vereinbarungsdialog startest, kann es passieren, dass die andere Person sich nicht mehr traut, ihre Perspektive (die wahrscheinlich von deiner abweicht) nicht mehr in vollem Umfang neben deine zu legen. Oder anders ausgedrückt: Die Wahrscheinlichkeit, dass du etwas Neues zur Situation, zu deinem Anliegen lernst, steigt wenn du der anderen Person den Vortritt lässt.

Zusammenfassung

Unter dem Begriff Feedback werden oft sehr unterschiedliche Anliegen zusammengefasst. Aus unserer Sicht ist es lohnenswert, sich bewusst zu machen, was man mit “Feedback” erreichen möchte: Der anderen Person ein Geschenk überreichen? Eine Veränderung bei der anderen Person anstoßen? Einen Konflikt mit der anderen Person klären? Für jede dieser drei Kategorien gibt es erprobte Formate, die dir dabei helfen können, mit deinem Anliegen weiterzukommen. In diesem Beitrag habe ich versucht, dir mit dem Vereinbarungsdialog ein Format für das Anstoßen einer Veränderung bei einer anderen Person näherzubringen. Ich wünsche dir gutes Gelingen beim Ausprobieren!

Besonders bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei meinen lieben Kolleg:innen Erich Nekam von palum sowie Marion Gartner und Matthias Lang von dwarfs and Giants. Viele der Ideen, die sich in diesem Beitrag widerspiegeln, sind in gemeinsamer Kund:innenarbeit entstanden.

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