Visualisierung meets Facilitation – Mit dem Stift Räume für Entwicklung begünstigen

Als Teilnehmer der Masterclass „Visual Facilitation“ von den Kommunikationslotsen und der bikablo Akademie konnte ich wieder einmal in die Rolle des Lernenden schlüpfen. Diese Erfahrung mit Visualisierung war sehr bereichernd und hat mir neue Perspektiven und Werkzeuge für meine Tätigkeit als Facilitator gegeben. In diesem Artikel möchte ich meine persönlichen „Nuggets“ teilen und meine Pläne für die nächste Zukunft skizzieren. Vielleicht findest du hier Inspiration für deine eigene Praxis.

Wo war ich?

Das Seminar fand im Kloster Schweinheim statt, ein idyllischer Ort, der für mich einmal mehr die Bedeutung einer guten Umgebung für erfolgreiche Workshops unterstrich. Diese Masterclass unterschied sich für mich von herkömmlichen Visualisierungstrainings, indem sie intensiv auf meine Rolle als Facilitators einging. Viele der Teilnehmenden hatten bereits das „Facilitator Curriculum“ der Kommunikationslotsen absolviert.

Meine Nuggets – das habe ich mir mitgenommen

Die Unterscheidung der Visualisierungsmodi „Erklären“, „Dokumentieren“, „Begleiten“ und „Erkunden“ war eine meiner Schlüsselerkenntnisse. Diese Modi korrespondieren mit einem gedachten Schieberegler zwischen Produktfokus (es geht stark um das resultierende Visual, also das Ergebnis) und Prozessfokus (es geht stark um den Prozess, wie das Visual im gemeinsamen Denken entsteht) beim Visualisieren.

Hier sind kurze Erklärungen zu diesen vier Visualisierungsmodi – und jeweils ein Beispiel aus meinen Übungen in der Masterclass:

Erklären: Das Bild geht dem Prozess voraus und schafft Orientierung.

Ein Beispiel für diesen Modus ist mein Erklärplakat für das Gesprächsformat des Triadenspaziergangs: Ich verwende das Bild, um meinen Teilnehmer:innen im Workshop zu erklären, wie ein Triadenspaziergang abläuft und was dabei wichtig ist.

Erklären Triaden-Spaziergang

Dokumentieren: Das Bild folgt dem Prozess und spiegelt. Es schafft die Grundlage für Fragen / Konsens / gemeinsame Geschichte.

In der Masterclass habe ich ein Gespräch der drei Workshop-Leiter:innen zum Thema Facilitation dokumentiert. Diese Dokumentation könnte nun als Grundlage für eine weiterführende Diskussion zwischen den Teilnehmer:innen verwendet werden.

Dokumentieren Veränderung - was ist das?

Begleiten: Das Bild steuert und folgt dem Prozess im Wechsel. Durch visualisierte Denkmodelle und Struktur leitet es durch den Dialog. Durch Spiegeln und Aufbauen auf das visuelle Ergebnis vertieft es ihn.

Ich verstehe diesen Modus so, dass er ein Wechselspiel aus den Modi “Erklären” und Begleiten ist: An einem bestimmten Zeitpunkt erkläre ich als Visual Facilitator ein für die Situation hilfreiches Denkmodell (z.B. das Führungsdreieck [Link auf Blog-Beitrag von Bernhard]), um dann wieder visuell einzufangen, was der Klient oder die Workshop-Teilnehmerin im sich darauf entspinnenden Gespräch an Gedanken einbringen. Dann passt vielleicht wieder ein visualisierter Input von mir, was wiederum zu weiterem Dialog der Workshopteilnehmer:innen einlädt usw.

Erkunden: Das Bild entsteht auf der leeren Leinwand durch Iteration der vier Schritte “Hören”, “Fragen”, “Spiegeln” und “Sagen”. Spiegeln und Sagen nutzen dabei das bisher entstandene Bild.

In der Masterclass übten wir als Teilnehmer:innen diesen Modus paarweise. Ein Kollege erzählte eine Geschichte von einem wichtigen Moment in seinem Leben, und ich unterstützte ihn beim Erzählen durch erkundendes Visualisieren: Ich hörte ihm zu, stellte Fragen, spiegelte immer wieder Teile der Geschichte und visualisierte sie begleitend. Das wiederum hat meinen Kollegen zu “Sagen” angeregt, also zu weiterem Erzählen rund um seine Geschichte.

Erkunden Ein wichtiger Moment im Leben

Verwendet habe ich dazu die in der Masterclass kennengelernte Technik von David Sibbet: Er platziert beim Begleiten Visuals für das Gehörte auf vier Ebenen:

  • Ebene 3 – “Intention”: Eine tiefere Bedeutung hinter der Geschichte, die ich als Visualisierer zu erkennen glaube.
  • Ebene 2 – “Energy / Movement”: Visueller Ausdruck von Zeitpunkten in der Geschichte, in der ich als Visualisierer starke Bewegung oder Veränderung in der Energie des Erzählenden wahrnehme.
  • Ebene 1 – “Infos / Wording”: Wichtige Informationen in Form von Schlagworten und kurzen Phrasen.
  • Ebene 0 – “Pictographs”: Visualisierung von Gegenständlichem in Form von piktogrammartigen Elementen.

Erkennst du diese Ebenen in meinem Visual wieder? 

  • Auf Ebene 0 ganz unten im Bild, nahe an der horizontalen Linie befinden sich viele Symbole, die mir spontan beim Zuhören in den Sinn gekommen sind, wie z.B. der Wecker, die Figur im Liegestuhl, das Zielfernrohr oder der Kaktus. 
  • Auf Ebene 1 habe ich wichtige Informationen aus der Erzählung meines Kollegen im O-Ton in Worten oder kurzen Phrasen übernommen, beispielsweise dass er in Peru auf einem Retreat war und  sich dort intensiv mit einem Medicine Wheel auseinandergesetzt hat. 
  • Auf Ebene 2 habe ich versucht in Farben an zwei Stellen darzustellen, dass ich starke Energie in der Erzählung meines Kollegen wahrgenommen habe: Einmal ausgehend vom Medicine Wheel ein gleichzeitiger Blick in die Vergangenheit und die erahnbare Zukunft, und ein zweites Mal an einer Stelle, die er mit “Ja, und …” eingeleitet hatte, und bei der ich ein Strahlen in seinem Gesicht gesehen hatte.
  • Ebene 3 kommt in meinem Bild nicht vor.

Ich finde diese Technik großartig! Ich habe als Facilitator eine einfach abrufbare Grundstruktur im Kopf. Und schon beim allerersten Mal hat sie sich in der Anwendung sehr natürlich angefühlt.

Was ich mir nun konkret vornehme

Mein Plan ist es, das Gelernte intensiv zu üben. Gemeinsam mit meinem Sohn Moritz, dem das Visualisieren ebenfalls viel Spaß macht, möchte ich meinen visuellen Wortschatz erweitern, da mir aufgefallen ist, wie wichtig die schnelle Verfügbarkeit passender Visuals ist. Weiterhin plane ich, das Online-Arbeiten mit dem Stift zu verstärken. Auch möchte ich mich ermutigen, ohne Zögern zum Stift zu greifen und meine visuellen Ideen sofort in die Tat umzusetzen – auch wenn sie nicht perfekt sind.

Zuallererst gilt für mich das Motto: Üben, üben, üben! Konkret ist mir (auch) in der Masterclass aufgefallen, dass ich immer wieder mal hänge, wenn es darum geht, schnell ein passendes Bildvokabel abrufen und aufs Papier bringen zu können. Ich werde daher mit meinem Sohn Bildvokabeln trainieren. Dazu gibt es von bikablo kleine Kärtchen für genau diesen Zweck: Einer von uns beiden zieht ein Vokabelkärtchen, und beide zeichnen das darauf abgebildete Symbol einige Male und vergleichen dann. Wenn wir die Kärtchen mal nicht zur Hand haben, denkt sich einer von uns beiden einfach ein Vokabel aus. Zu zweit macht das einfach viel mehr Spaß!

Seit der Pandemie verwende ich deutlich weniger oft Papier und Stift, wenn ich mir etwas notiere oder wenn ich mir ein Konzept erstelle. Sei es in einer Auftragsklärung, sei es bei einem Workshop-Design: Ganz schnell ist ein Dokumentations-Tool wie Confluence geöffnet oder ein Kollaborations-Tool wie Miro zur Hand. Damit ist aber leider auch die technische Hürde größer geworden, einfach mal zum Stift zu greifen und einen Gedanken bild- oder skizzenhaft zu visualisieren. Deshalb experimentiere ich gerade, wie ich den (virtuellen) Stift gut in meine Online-Arbeit integrieren kann. Beispielsweise habe ich in den letzten Wochen ein paar Mal das Zeichenprogramm ProCreate am iPad geöffnet und das iPad in eine Zoom-Session integriert, um dort gut live visualisieren zu können.

“Nicht zögern, sondern einfach tun!” – Eine suboptimale Visualisierung ist jedenfalls besser als keine. Du tust deinen Kund:innen immer einen guten Dienst mit deiner Visualisierung. Diese Sätze versuche ich als Mantras in meine Arbeit mitzunehmen. Das in der Masterclass kennengelernte Konzept des Schiebereglers hilft mir dabei sehr. Ich möchte versuchen, mir im Workshop oder in einem Gespräch einfach zum Stift zu greifen, sobald sich in meinem Kopf erste Bilder auftun – um diese zur Verfügung zu stellen, und nicht um ein perfektes Werk zu erstellen.

Mein Fazit

Die Masterclass hat mir geholfen, meine Bedenken bezüglich der Qualität meiner Visualisierungen zu überwinden. Je nach Situation darf die Visualisierung mal mehr produkt- oder prozessorientiert sein.

Mein Ziel ist es nun, noch aktiver und selbstbewusster als bisher zum Stift zu greifen und visuelle Elemente in meine Facilitation einzubinden, um die Kommunikation und das gemeinsame Verständnis in Gruppen zu fördern.

So leistet meine Visualisierung hoffentlich einen Beitrag zum Gestalten von Räumen, in denen wir uns als Organisationen und Menschen weiterentwickeln, ganz wie wir es im Purpose von Transferio – die Begeistermeister codiert haben.

Allen, die sich so wie ich für den Einsatz von Visualisierung in der Facilitation von kleineren und größeren Gruppen interessieren, sei diese Masterclass herzlich empfohlen – das nächste Mal findet sie im März 2025 statt, mehr Infos auf der Website der Kommunikationslotsen.

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