Regelmäßig werden wir gefragt: »Wie begleitet ihr bei Transferio eigentlich Organisationen?« Das ist eine sehr gute und gleichzeitig für uns gar nicht einfach zu beantwortende Frage. In diesem Artikel wagen wir den Versuch einer Antwort darüber, wovon wir uns in Beratungsprozessen leiten lassen und wie die typische Architektur eines Veränderungsprojektes aussieht.
Grundprinzipien des Transferio-Ansatzes
Zunächst erwähnen wir zwei Grundprinzipien, die uns bei der Begleitung einer Transformation leiten: Partizipatives Arbeiten und die Berücksichtigung der agilen Prinzipien in der Organisationsentwicklung.
Anmerkung: Wir sind uns ziemlich sicher, dass dies nicht die einzigen für uns handlungsleitenden Prinzipien sind, sie stellen jedoch die Essenz unseres Ansatzes dar, um die es in diesem Artikel gehen soll.
Partizipatives Arbeiten
Bei diesem Prinzip geht es uns darum, möglichst viele der von einer Transformation Betroffenen zu Beteiligten zu machen – eine Formulierung, die wir uns sehr gern von Roswitha Vesper und Holger Scholz von den Kommunikationslotsen borgen.
Viele von uns haben schon eine Unzahl an Veränderungsvorhaben in Organisationen scheitern sehen, weil gegen dieses Prinzip verstoßen wurde: Jemand oder einige wenige in einem Unternehmen überlegen sich, wie die Organisation verändert werden soll. Es werden Pläne geschmiedet, Dokumente geschrieben, von der Unternehmensleitung abgenickt, und dann wird versucht, die Veränderung “auszurollen”. Die davon Betroffenen erfahren zu diesem Zeitpunkt meistens zum ersten Mal, dass jemand will, dass sie sich verändern. Eigentlich naheliegend, dass dieses Vorgehen zu Widerständen führt und meist schlecht funktioniert.
Wir versuchen in unserer Begleitung möglichst viele partizipative Elemente einzubauen: Es geht darum, möglichst viele interessierte und unterschiedliche Stimmen in der Organisation einzubinden, ihnen Gelegenheit zum Mitdenken, Mitverhandeln und Mitexperimentieren zu geben. Nur wenn die Betroffenen das Gefühl entwickeln können, dass sie ernsthaft eingebunden werden und Interesse an ihrer Sicht der Dinge erlebbar wird, kann ausreichend Momentum für die Veränderung entstehen.
Gleichzeitig ist uns bewusst, dass Partizipation von manchen schnell mit Langsamkeit und Trägheit assoziiert wird. Wir sind überzeugt, dass beides möglich ist: Ein hoher Grad an Partizipation und ein ausreichend hohes Tempo der Veränderung. Es geht hier darum, eine geschickte Balance zu finden zwischen breiten Möglichkeiten des Einbringens und der Wahrung von arbeitsfähigen Gruppen, die die Transformation voranbringen.
Später in diesem Artikel stellen wir dir einige Architekturelemente wie das Transformationsteam oder die Resonanzgruppe vor, mit deren Hilfe wir versuchen, diese Balance zu halten.
Die Organisation nach agilen Prinzipien entwickeln
Agiles Arbeiten umfasst Praktiken, um Vorhaben mit einem hohen Komplexitätsgrad gut bearbeiten zu können. Die Veränderung einer Organisation ist ein hochkomplexes Vorhaben und kann nicht auf dem Reißbrett entworfen und “ausgerollt” werden. Daher bietet es sich für uns an, eine Unternehmenstransformation als agiles Projekt zu begreifen und im Vorhaben die agilen Prinzipien zu beherzigen.
Einige dieser Prinzipien (wir haben sie in unserem Artikel “8 agile Prinzipien” im Detail beschrieben) wollen wir für die Erklärung unseres Transformationsansatzes besonders hervorheben:
Interdisziplinäre, sich selbst führende Teams
Das agile Prinzip der Interdisziplinarität drückt aus, dass ein Team, das ein komplexes Projekt bearbeitet, so zusammengesetzt ist, dass alle Fähigkeiten (Skills) zur Erbringung der Wertschöpfung im Team vorhanden sind.
Umgelegt auf die Transformation eines Unternehmens oder einer Organisationseinheit bedeutet das für uns, möglichst alle relevanten Sichten der Organisation für das Vorantreiben und Steuern der Transformation einzubinden. Das versuchen wir insbesondere im Architekturelement des Transformationsteams sicherzustellen.
Das agile Prinzip der Selbstführung bedeutet: Das Team nimmt die Führungsverantwortung gemeinsam und verteilt wahr: Unterschiedliche Teammitglieder nehmen für diverse Themen den Lead, beispielsweise weil sie die besten Fähigkeiten, Talente oder auch Informationen für das Thema aufweisen.
Wir versuchen dieses Prinzip in unserer Begleitung einer Transformation zu stützen, in dem wir Impulse zur verteilten Führung in den unterschiedlichen Architekturelementen geben: Das kann beispielsweise das Verhältnis zwischen den Auftraggebenden und dem Transformationsteam betreffen, oder auch die Anregung, Gestaltungsimpulse aus der Resonanzgruppe aufzugreifen und jene Leute, die darin Energie zur Mitwirkung zeigen, im Rahmen von Organisationsexperimenten auch in Führungsverantwortung zu bringen.
Anmerkung: Oft ist es ein explizites Teilziel von Transformationen, die wir begleiten dürfen, Selbstorganisation und verteilte Führung in der Organisation zu stärken. Gerade dann versuchen wir, die Bearbeitung und Steuerung der Transformation als Übungsvehikel für Selbstführung zu nutzen, beispielsweise in den Architekturelementen Transformationsteam oder Organisationexperiment.
Arbeiten in kurzen regelmäßigen Lernschleifen
Ein wesentliches Prinzip von agilem Arbeiten für das Navigieren in Komplexität ist Inspect & Adapt. Das bedeutet, die Projektarbeit in kurze Arbeitsetappen (Iteration, Sprint – meist wenige Wochen) zu gliedern und am Ende einer solchen Arbeitsetappe Lernschleifen auf zwei Ebenen einzuführen.
So entsteht eine Taktung, ein regelmäßiger Rhythmus, den man sich insbesondere für die Bearbeitung und Steuerung eines Transformationsvorhabens zu Nutze machen kann: Denn dieses Projekt wird von den involvierten Personen meist on-top zu ihren alltäglichen Aufgaben bearbeitet. Hier kann ein fixer Rhythmus von Arbeitsetappen und Lernschleifen helfen, dass die Transformationsarbeit regelmäßig in der Organisation Aufmerksamkeit bekommt, und nicht auf irgendwann, manjana, den St.-Nimmerleins-Tag hinausgeschoben wird.
Nun zu den beiden erwähnten Lernschleifen auf zwei Ebenen am Ende jeder Arbeitsetappe:
- Lernschleife 1: Review der inhaltlichen Arbeit (dem Produkt): Was waren zentrale Vorhaben in der Arbeitsetappe? Welche Fortschritte wurden hier erzielt? Welche (kleinen) Veränderungen zeigen sich in der Organisation bereits? Welche Learnings ergeben sich aus gestarteten Organisationsexperimenten? Architekturelemente, innerhalb derer diese Lernschleife angewendet werden kann, sind jedenfalls das Transformationsteam und die Organisationsexperimente, eingebunden werden kann auch die Resonanzgruppe.
- Lernschleife 2: Retrospektive (Reflexion) zur Art und Weise der Bearbeitung (dem Prozess): Wie arbeitet das Transformationsteam zusammen? Wie gestaltet sich die Einbindung des Führungskreises? Wie gut funktioniert der Austausch mit der breiteren Öffentlichkeit (Resonanzgruppe)? Diese Lernschleife lässt sich insbesondere im Architekturelement Transformationsteam anwenden, von Zeit zu Zeit aber auch in der Resonanzgruppe, um mit einer breiteren Öffentlichkeit von Betroffenen zu reflektieren.
Enger Kontakt mit den Kund:innen der Transformation
Das agile Prinzip der Kund:innenzentrierung bedeutet, dass die Kund:in im Universum des agil arbeitenden Teams eine zentrale Stellung einnimmt: Sie wird das Produkt nutzen, mit ihr sollte das agil arbeitende Team während der Erstellung des Produkts möglichst oft und ungefiltert Kontakt haben, um sich (beispielsweise im Rahmen der Lernschleife 1) Feedback zu holen.
Doch was bedeutet dieses Prinzip für das komplexe Vorhaben einer Organisationstransformation? In erster Linie ist die Kund:in aus unserer Sicht die Organisation, die verändert werden soll, also die Betroffene. Für uns bedeutet das, die Antreiber:innen der Veränderung in laufenden und engen Kontakt mit ihren Kund:innen zu bringen, beispielsweise über die Architekturelemente der Resonanzgruppe oder des Führungskreises.
Prototypische Transformationsarchitektur
Neben der Perspektive der Grundprinzipien möchten wir dir auch auch eine Strukturperspektive auf unseren Beratungsansatz geben. Deshalb findest du im nachfolgenden Schaubild eine prototypische Architektur eines Transformationsvorhabens, das wir begleiten.
Nicht jedes Architektur-Element hat in jedem Vorhaben die gleiche Gewichtung, manchmal kommen weitere Elemente dazu. Der Prototyp zeigt dir jedoch, wie wir typischerweise versuchen, die oben beschriebenen Grundprinzipien auf das Transformationsvorhaben umzulegen.
Transformationsteam
Das Transformationsteam ist der Schrittmacher des Veränderungsvorhabens. Über die erwähnten Lernschleifen beobachtet es regelmäßig das Vorankommen der Veränderung, plant nächste Interventionen (wir sprechen lieber von Experimenten) und führt sie durch.
Wesentlich ist für uns eine durchdachte Zusammensetzung dieses Teams: Es geht darum, alle wesentlichen Sichtweisen und Stimmen der Organisation abzubilden. Gleichzeitig achten wir darauf, dass dieses Team auf eine gut arbeitsfähige Größe von maximal sieben Personen limitiert bleibt.
Das ist nicht immer ganz einfach, gelingt jedoch in der Regel gut. Ein Ansatz, der das Prinzip der Partizipation bestmöglich unterstützt, ist die Wahl der Mitglieder des Transformationsteams durch die Betroffenen. Eine konkrete Umsetzung einer solchen Wahl beschreiben wir in unserem Artikel Partizipative Wahl eines Projektteams.
Das Transformationsteam strukturiert seine Arbeit zeitlich in die erwähnten Arbeitsetappen, Iterationen oder Sprints genannt. Wir haben gute Erfahrung mit einer Länge von vier bis sechs Wochen für eine Arbeitsetappe gemacht. Am Ende jeder Arbeitsetappe führt das Transformationsteam die beschriebenen Lernschleifen auf zwei Ebenen (Produkt und Prozess) aus und geht anschließend in die Planung der nächsten Arbeitsetappe.
Eine wesentliche Kategorie der Arbeit des Transformationsteams ist dabei das Designen, Starten und Reflektieren von Organisationsexperimenten. Mehr dazu weiter unten.
Resonanzgruppe
Die Resonanzgruppe ist das Bindeglied zwischen dem Transformationsteam und der breiten Öffentlichkeit der Betroffenen des Transformationsvorhabens.
In einer kleineren Organisation (oder einer Organisationseinheit) bis etwa 30 oder 50 Mitarbeitenden kann das tatsächlich die Gesamtheit der von der Veränderung Betroffenen sein. In größeren Organisationen raten wir zum Zusammenstellen einer Gruppe der angegebenen Größe, die wie das Transformationsteam eine gute Abbildung der Sichtweisen und Stimmen der Organisation sein soll.
Die Resonanzgruppe trifft sich in regelmäßigen Abständen (beispielsweise nach jeweils drei Arbeitsetappen des Transformationsteams), um über den Fortschritt der Transformation zu reflektieren und dem Transformationsteam Feedback für die Planung der nächsten Interventionen zu liefern. Dafür setzen wir gerne Großgruppenformate wie World Café oder Open Space ein. In unserem Artikel Open Space Agility – Veränderung partizipativ gestalten findest du unter anderem Fotos und eine Beschreibung eines Treffens der Resonanzgruppe.
Organisationsexperimente
Organisationsexperimente sind das von uns bevorzugte Vehikel, um gewünschte Schritte der Veränderung in der Organisation zu verproben.
Wie bei der Beschreibung der Prinzipien schon erwähnt, gehen wir davon aus, dass es sich bei einer Veränderung einer Organisation um ein hochkomplexes Vorhaben handelt, das nicht im Voraus durchgeplant werden kann. Vielmehr ist das Experimentieren der vielversprechendste Weg, um in Komplexität zu navigieren.
Die Idee für ein Organisationsexperiment entsteht meist entweder in der Reflexion durch die Resonanzgruppe oder in den Lernschleifen des Transformationsteams. Die Aufgabe des Transformationsteams ist es dann, einen geeigneten Rahmen für das Organisationsexperiment zu definieren, es auf den Weg zu bringen und seinen Fortschritt zu evaluieren, um darauf basierend evtl. nächste Interventionen zu planen.
Das klingt vermutlich etwas abstrakt, daher geben wir dir ein paar konkrete Beispiele aus unserer Begleitung von Organisationen:
- Anwenden eines alternativen Entscheidungsverfahrens für Gruppenentscheidungen eines Führungsteams
- Erarbeiten eines Rollenmodells in einem interdisziplinären Projektteam für die klare und transparente Verteilung von Verantwortlichkeiten
- Einführen eines visuellen Boardsystems zur Koordination des Projektportfolios durch Vertreter aller Produktentwicklungsteams einer F&E-Abteilung
- Testen von unterschiedlichen Strukturformaten für das Etablieren von regelmäßigem Feedback in den Teams einer Service-Abteilung
- Ausprobieren eines partizipativ besetzten Gremiums zur Umsetzung von Verbesserungsvorschlägen in der Organisation
- Erarbeitung und Evaluierung von Prinzipien und Grundregeln von effektiven Meetings
Führungskreis
Das Transformationsteam ist so zusammengestellt, dass alle wesentlichen Teile und Sichtweisen der Organisationen darin repräsentiert sind. Es ist durchaus sinnvoll, dort auch die Perspektive einer Führungskraft (oder Führungspersönlichkeit, wie wir lieber sagen) zu verorten. Allerdings wird es sehr wahrscheinlich so sein, dass das Transformationsteam zum überwiegenden Teil nicht aus Führungspersönlichkeiten zusammengesetzt ist.
Andererseits haben jene Personen, die in der Organisation Führungsverantwortung tragen, eine sehr wichtige Funktion in der Transformation. Führung bedeutet immer auch, Vorbild zu sein. Oder umgekehrt: Die Mitarbeitenden in einer Organisation orientieren sich sehr stark am Verhalten der Führungspersönlichkeiten, auch um herauszufinden, ob das mit dem Transformationsvorhaben wirklich ernst gemeint ist.
Es ist daher aus unserer Sicht parallel zum Wirken des Transformationsteams auch mit den betroffenen Führungspersönlichkeiten in einem eigenen “Raum” zu arbeiten; diesen nennen wir Führungskreis. Das kann z.B. bedeuten, mit ihnen laufend zur Transformation aus ihrer Perspektive zu reflektieren, ihre eigene (Vorbild-)Rolle zu thematisieren oder sie mit wichtigen inhaltlichen Impulsen zur Transformation zu versorgen, beispielsweise dazu, welche Aufgabe Führung in einer agilen Organisation hat. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass es zu einer Entkopplung der Führungsarbeit in der Transformation (daran hat das Transformationsteam einen großen Anteil) und der Führungsarbeit im Alltag (der liegt bei den Führungspersönlichkeiten) kommt.
Trainingselemente
Ergänzend zu den oben genannten Architekturelementen gibt es in unserer Begleitung meist auch komplementäre Trainingselemente.
Der Inhalt dieser Trainingselemente hängt natürlich hochgradig von der spezifischen Natur des Transformationsvorhabens ab. Wir werden sehr oft zum Thema einer Veränderung hin zu einer agilen Organisation angefragt. In diesem Kontext könnten Trainingselemente für das Transformationsteam, für die Resonanzgruppe und/oder für den Führungskreis beispielsweise sein:
- Grundlagen von agilem Arbeiten
- Die Rolle von Führung bei agilem Arbeiten
- Das Konzept von Rollen und Kreisen für die Verteilung von Verantwortlichkeiten
- Entscheidungsverfahren für Gruppenentscheidungen
- Arbeit sichtbar machen – Visualisierungssysteme auf unterschiedlichen Ebenen
- Formate für Peer-Feedback in selbstorganisierten Systemen
Zusammenfassung
Wir haben mit diesem Artikel versucht, dir den Beratungsansatz von Transferio an Hand von zwei verschiedenen Blickwinkeln zu beschreiben.
Zum einen haben wir dir mit »Partizipatives Arbeiten« und »Die Organisation nach agilen Prinzipien entwickeln« die zwei für uns essentiellen Grundprinzipien unseres Begleitungsansatzes vorgestellt.
Zum anderen haben wir dir eine prototypische Architektur für ein Transformationsvorhaben mit den Elementen Transformationsteam, Resonanzgruppe, Organisationsexperimente, Führungskreis und Trainingselemente skizziert.
Dabei haben wir aufzuzeigen versucht, wie die einzelnen Architekturelemente und ihr Zusammenspiel die beiden Grundprinzipien unterstützt.
Welche Fragen sind bei dir jetzt gerade da? Was fehlt dir in dieser Beschreibung? Gibt es etwas, das dich irritiert zurücklässt? Was gefällt dir? Wir freuen uns auf deine Anregungen!
0 Kommentare