Ein wichtiges Thema bei unserem Programm zur Entwicklung von Führungspersönlichkeiten ist die Sensibilisierung darauf, wie schwierig es ist, mit einem anderen Menschen so zu kommunizieren, dass die Botschaft, die man senden möchte, beim Gegenüber auch wirklich so ankommt wie intendiert.
Der spielerische Einstieg
Wir nähern uns dem Thema gerne mit einer spielerischen Übung, die wir uns bei unserem lieben Kollegen Erich Nekam von Palum abgeschaut haben. Die Übung wird von zwei freiwilligen Teilnehmer:innen durchgeführt, die übrigen Personen beobachten aufmerksam das Geschehen. Die beiden Freiwilligen sitzen jeweils an einem Spieltisch und haben einander ihren Rücken zugewandt, können sich also gegenseitig nicht sehen.
Ziel der Übung ist, dass die eine Person ein Modell (z.B. einen Turm) aus einem Set vorgegebener Duplo-Steine baut und gleichzeitig der anderen Person den Bauvorgang so mit Worten beschreibt, dass diese das idente Modell aus dem eigenen, gleich zusammengesetzten Set von Bausteinen bauen kann.
Die Übung wird in zwei Durchgängen gespielt. Im ersten Durchgang gilt die einschränkende Spielregel, dass die zweite Person keinerlei Rückfragen an die erste, beschreibende Person stellen darf. Im zweiten Durchgang wird diese Spielregel aufgehoben, das heißt, die zweite Person darf jederzeit Rückfragen stellen, wenn sie einen Bauhinweis nicht ausreichend gut verstanden hat. Nachvollziehbarer Weise gelingt die Übung im zweiten Durchgang meist wesentlich besser als im ersten Durchgang.
Kommunikation mit und ohne Rückkopplung
Mit Hilfe dieser Übung lässt sich zunächst einmal sehr anschaulich darstellen, welch großen Unterschied es macht, ob zwischen Sender:in (der ersten Person) und Empfänger:in (der zweiten Person) eine unidirektionale Kommunikation (nur in eine Richtung) stattfindet oder eine bidirektionale Kommunikation (in beide Richtungen) mit Rückkopplungsschleife. Zur Reflexion dieses Unterschieds an Hand der Übung visualisieren wir die Kommunikation mit Rückkopplungsschleife anhand eines ganz einfachen schematischen Bildes:
Kommunikation als Hürdenlauf
Anschließend thematisieren wir mit den Teilnehmer:innen die vielfältigen Hürden, die es beim Kommunizieren zu nehmen gilt. Viele dieser Hürden werden durch die Möglichkeit zur Rückkopplung zwar kleiner, verschwinden jedoch nicht automatisch. Auch dieses Modell haben wir zum ersten Mal bei Erich Nekam von Palum gesehen:
Die zu kommunizierende Botschaft entsteht zunächst in Gedanken bei der Sender:in. Und gleich darauf stößt die Botschaft auch schon auf ein erstes Hindernis: Gedacht ist nicht gesagt. Oder anders ausgedrückt: Vieles von dem, das sich die Sender:in denkt, verlässt nicht ihren Mund in Form von Sprache und kann so von der Empfänger:in nicht gehört werden. Ein wichtiges Beispiel für diese Hürde ist das implizite Kontextwissen der Sender:in. Sie nimmt (manchmal bewusst, sehr oft unbewusst) an, dass dieses Kontextwissen in identer Form auch bei der Empfänger:in vorausgesetzt werden kann und spricht es daher nicht aus.
Selbst wenn ein wichtiger Teil der Botschaft von der Sender:in ausgesprochen wurde, bedeutet das noch nicht, dass diese Information von der Empfänger:in auch gehört wurde. Es ist gut möglich, dass die Empfänger:in abgelenkt ist und das Gesagte nicht hört. Es könnte auch sein, dass der Aufmerksamkeitsfilter der Empfänger:in gerade auf etwas anderes gerichtet ist, und die Information zwar ihre Ohren erreicht, jedoch nicht ins Bewusstsein vordringt. Also: Gesagt ist nicht gehört.
Wenn die verbalisierte Information es bis ins Bewusstsein der Empfänger:in geschafft hat, muss sie dort interpretiert werden. Dabei ist es sehr wahrscheinlich, dass die Interpretation der gehörten Worte anders abläuft als im Gehirn der Sender:in. Gründe dafür können unterschiedliches Kontextwissen sein oder auch unterschiedliche Interpretation von Mimik und Gestik der Sender:in. Das hat sehr oft mit dem eigenen Erfahrungshintergrund der Empfänger:in zu tun, beispielsweise mit Verletzungen aus der eigenen Vergangenheit. Zusammenfassend müssen wir uns also eingestehen: Gehört ist nicht notwendigerweise verstanden.
Wenn es sich bei der übermittelten Botschaft (z.B. im Verhältnis Führungskraft zu geführter Person) um eine Anweisung oder um eine Bitte handelt, ist es lohnenswert, den Hürdenlauf noch ein paar Stationen weiter zu verfolgen:
Nehmen wir einmal an, die Empfänger:in hat die Botschaft in dem von der Sender:in intendierten Sinne verstanden. Das heißt jedoch noch nicht, dass die Sender:in mit dem Inhalt dieser Botschaft (z.B. einer Anweisung) auch einverstanden ist. Im Kontext von Organisationen kommt dieses Nicht-Einverstanden-Sein selten explizit an die Oberfläche, sondern äußert sich in stiller Ablehnung oder in passivem Widerstand. Es könnte beispielsweise sein, dass für die Empfänger:in die psychologische Sicherheit nicht ausreichend groß ist, um ihren Widerspruch zu offenbaren.
Ist die Empfänger:in mit dem Inhalt der gesendeten Botschaft einverstanden, geht es nun darum, der Anweisung oder Bitte zu entsprechen, also etwas zu tun oder zu lassen. Auch hier kann sich wieder eine Hürde auftun: Beispielsweise könnte zwischen der Äußerung der Bitte und der nächsten Gelegenheit zur Umsetzung einige Zeit verstreichen, was die Wahrscheinlichkeit des Vergessens durch die Empfänger:in stark erhöht. Die Empfänger:in war also einverstanden, hat es aber trotzdem nicht getan.
Es könnte in der Folge aber auch sein, dass die Empfänger:in zwar versucht, nach bestem Wissen der Anweisung Folge zu leisten, dass das Getane aber trotzdem nicht dem Wunsch der Sender:in entspricht. Ursache könnte etwa sein, dass der Empfänger:in wichtige Informationen oder Fertigkeiten nicht zur Verfügung stehen, um die Anweisung in “richtiger” Form umzusetzen.
Selbst wenn es der Empfänger:in gelingt, die Botschaft der Sender:in in der von ihr intendierten Form ein erstes Mal umzusetzen, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass dies in Zukunft bei weiteren Gelegenheiten ebenfalls der Fall sein wird. Auch hier könnte die (potentiell lange) verstrichene Zeit dazu führen, dass die Empfänger:in wichtige Details des “richtigen” Umsetzens vergisst. Oder anders ausgedrückt: Einmal richtig getan bedeutet nicht automatisch dauerhaft beibehalten.
Sensibilisierung und Entlastungsangebot
Für uns liegt der große Wert dieses Modells darin, dass es auf sehr einfach fassbare Art und Weise zeigt, wie schwierig (Führungs-)Kommunikation im beruflichen Alltag sein kann. Es gelingt uns damit sehr gut, die Teilnehmer:innen unseres Programms zur Entwicklung von Führungspersönlichkeiten für die Komplexität von Kommunikation zu sensibilisieren.
Und gleichzeitig ist dieses Modell für die Teilnehmer:innen ein Entlastungsangebot: Es gibt so vielfältige Gründe, warum einer Anweisung oder einer Bitte von einem Gegenüber nicht in dem von mir selbst intendierten Sinn entsprochen wird. Und nur ganz, ganz selten handelt es sich dabei um einen Akt des bewussten Widerstands. Viel öfter nimmt eine Botschaft eine andere Hürde des gezeigten Hindernislaufes nicht. Sich als Führungskraft darüber immer wieder Gedanken zu machen und die eigenen Formen der Kommunikation laufend zu überprüfen, lohnt sich!
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