Lego Serious Play® und 3D-Welten im Doppelpack für Vision & Strategie

Die Herausforderung

Es passiert (vermutlich nicht nur mir) als Prozessbegleiter immer wieder: Die Rahmenbedingungen geben nur wenig Zeit her, gleichzeitig soll in dieser Zeit viel, manchmal auf den ersten Blick zu viel, erreicht werden.

Eine konkrete Herausforderung möchte ich so skizzieren: Es soll eine mitreißende Vision erarbeitet werden, die von allen Mit-Erarbeiter:innen gemeinsam getragen wird. Um dieser Vision näher zu kommen, sollen auch gleich konkrete strategische Stoßrichtungen abgeleitet werden. Und es soll im Workshop gleich auch noch der Zug auf die Schienen gesetzt werden: An den strategischen Stoßrichtungen soll nach dem Workshop konsequent weitergearbeitet werden.

Und für all dies stehen maximal zwei Workshoptage zur Verfügung – das ist aus meiner Erfahrung aus den letzten Jahren das Maximum an Zeit, für das sich ein Team, eine Abteilung, eine Geschäftsführung aus dem operativen Alltag rausnehmen kann.

Challenge accepted 🙂

Zwei sehr unterschiedliche Workshop-Gruppen

Vor einer solchen Herausforderung stand ich im vergangenen halben Jahr gleich zweimal. Die Workshop-Gruppen waren dabei sehr unterschiedlich, was Branche, Gruppengröße und Ausschnitt der Organisation betrifft.

Im Setting 1 arbeitete ich mit 12 Gruppen- und zwei Abteilungsleitern der IT-Abteilung eines mittelständischen Industrieunternehmens in Oberösterreich.

Im Setting 2 begleitete ich 6 Teammitglieder der Rechtsabteilung einer Holding in der Steiermark. Die Rechtsabteilung tritt dort als Dienstleisterin für diverse juristische Belange für alle unter der Holding versammelten Tochterunternehmen auf.

Was ich schon vorwegnehmen kann: Das nun beschriebene Workshop-Format hat in beiden Kontexten sehr gut funktioniert – es scheint also sehr universell einsetzbar zu sein.

Eine mitreißende Vision erarbeiten

Im ersten Teilstück des Workshops galt es, eine Vision zu erarbeiten, für deren gemeinsames Erreichen bei den Workshop-Teilnehmer:innen Energie entsteht.

Wichtige Zutaten für einen solchen Prozess sind aus meiner Erfahrung: Jede:r kann sich gleichberechtigt einbringen, jedem wird zugehört, abstrakte Konzepte werden sichtbar und angreifbar, es kann auf die Beiträge anderer einfach Bezug genommen werden.

Ebenfalls sehr wichtig: Die Vision soll nicht im luftleeren Raum entstehen, sie ist vielmehr eingebettet in einen Kontext: Ein Team / eine Abteilung ist in die Organisation eingebettet, die Organisation hat ein Marktumfeld, es gibt aktuelle Herausforderungen an das Team / die Abteilung / die Organisation. Es ist daher unbedingt notwendig, diesen Kontext zu benennen und sichtbar zu machen.

Lego Serious Play - Herausforderungen arrangieren

Das Wort Vision gibt ja schon einen starken Hinweis darauf, wie sie erarbeitet werden kann: Es soll etwas Sichtbares entstehen, ein Bild, auf das von den Teilnehmer:innen später referenziert werden kann.

Dazu bietet sich aus meiner Erfahrung ganz klar die Methode Lego Serious Play ® an, denn sie erfüllt alle oben genannten Gelingensanforderungen. Besonders die Kombination aus haptischem Erleben (die Teilnehmer:innen bauen etwas Gemeinsames), einfach möglicher Visualisierung abstrakter Konzepte (durch die leicht metaphorisch aufladbaren Bausteine) entsteht damit buchstäblich spielerische eine zugkräftige Vision.

Um dem oben erwähnten Umstand gut Rechnung zu tragen, dass eine Vision (aus meiner Sicht) immer gut in den gegebenen Kontext eingepasst werden muss, unterteile ich die Lego Serious Play ®  Sequenz in zwei Teile:

Im ersten Teil bauen die Teilnehmer:innen in einer oder mehreren Runden individuelle Modelle, die die aktuellen Herausforderungen für das Team, die Abteilung, die Organisation repräsentieren. Diese Modelle stellen die Teilnehmer:innen einander vor und positionieren sie in eine für sie sinnvolle Aufstellung zueinander.

Lego Serious Play - Gemeinsames Visionsmodell erstellen

Im zweiten Teil bauen die Teilnehmer:innen dann die Vision der gemeinsamen Zukunft: Wie wird diese aussehen, wenn das Team / die Abteilung / die Organisation all die Herausforderungen gut gemeistert hat? Zunächst bauen die Teilnehmer:innen wiederum individuelle Modelle dieser Zukunft und stellen sie einander vor.

Anschließend bauen die Teilnehmer:innen aus den individuellen Modellen ein gemeinsames Modell. Dazu markiert jede:r Teilnehmer:in zunächst ein oder zwei Aspekte ihres individuellen Modells, die auf keinen Fall im gemeinsamen Modell fehlen dürfen. Es ist nun die gemeinsame Verantwortung der Gruppe, mit diesen Vorgaben das gemeinsame Modell zu bauen.

Positioniert wird es schließlich in die Mitte zwischen den zuvor gebauten Herausforderungen. Wie bei Lego Serious Play ® üblich erzählen dann mehrere Teilnehmer:innen jeweils die Geschichte, die sich an Hand der nun sichtbaren Modelle (gemeinsame Vision, eingebettet in die Herausforderungen) ergibt. So festigt sich Stück für Stück eine gemeinsame Erzählung.

Lego Serious Play - Gemeinsames Visionsmodell erstellen

Strategische Stoßrichtungen ableiten

Nun kann das zweite Teilstück des Workshops in Angriff genommen werden: Eine für die Teilnehmer:innen zugkräftige Vision ist im Raum, nun geht es um die Frage, wie sich das Team / die Abteilung / die Organisation diesem Zukunftsbild Stück für Stück annähern kann. Ich verwende für diese Optionen der Annäherung gerne den Begriff der strategischen Stoßrichtungen.

Für dieses Teilstück setze ich eine weitere Methode ein, und zwar die 3D-Welten. Sie setzt wie Lego Serious Play® stark auf Haptik und Visualisierung, ist jedoch etwas näher dran an Schrift und Sprache. Ich verwende sie daher sehr gerne für Fragestellungen, in denen es um Konkretisierung geht.

So wie hier: Die strategischen Stoßrichtungen konkretisieren die Frage, wie man das gezeichnete Bild der Zukunft erreichen könnte. Das Eintauchen in die 3D-Welten beginnt immer mit dem Stellen der übergeordneten Leitfrage. Hier könnte sie etwa so lauten: “Was müssen wir in den nächsten eineinhalb Jahren konkret tun, um unserer Vision einen großen Schritt näher zu kommen und dabei viele der Herausforderungen zu meistern?

In einem mehrschrittigen Prozess schreiben / zeichnen die Teilnehmer:innen zunächst individuell Ideen zu dieser Frage auf sechseckigen Plättchen und legen sie auf das gemeinsame Spielfeld. Dabei spielen sie bei der Positionierung zueinander mit Nähe und Distanz. So entstehen Inseln auf dem Spielfeld, welche die Teilnehmer:innen benennen. Mit den so entstandenen Clustern sind erste Ansätze für strategische Stoßrichtungen entstanden.

3D-Welte - Inseln wachsen in die Höhe

Nun geht es ans Priorisieren, denn meistens reicht die verfügbare Arbeitszeit der Teilnehmer:innen nicht für die (gleichzeitige) Bearbeitung all der erarbeiteten Ansätze. Dazu arbeiten die 3D-Welten mit der dritten Dimension: Jene Ansätze, die von den Teilnehmer:innen in einem gemeinsamen Dialog priorisiert werden, wachsen durch das Unterlegen von Höhensteinen in die Höhe und werden so (in der zentralen Metapher der 3D-Welten) vor dem Untergehen verschont, wenn der Meeresspiegel auf dem Spielfeld steigt.

In einem weiteren, optionalen Schritt der 3D-Welten kann das entstandene Inselgebirge nun gechallenged werden. Die Teilnehmer:innen können durch das Legen von Spielsteinen beispielsweise zum Ausdruck bringen, was einzelnen Stakeholder:innen-Gruppen besonders wichtig wäre, oder wo ihr persönliches Herzblut liegt. Zeichen sich bei den ausgelegten Spielsteinen große Abweichungen von den getroffenen Priorisierungsentscheidungen, lade ich die Gruppe zu einem Dialog ein, wie es zu diesen Unterschieden kommt. Und gelegentlich passt die Gruppe dann die getroffene Priorisierung an.

3D-Welten - Inseln werden bevölkert

(Das war jetzt nur ein sehr kurzer Abriss darüber, wie ich die 3D-Welten für dieses Teilstück des Visions- und Strategieprozesses einsetze. Mehr Informationen zu 3D-Welten findest du in diesem Blog-Artikel.)

Am Ende dieses Workshop-Teilstücks liegt vor den Teilnehmer:innen nun in Form einer 3D-Welt ein gut fassbarer Überblick über die von der Gruppe erarbeiteten und priorisierten strategischen Stoßrichtungen. Abhängig von der Flughöhe (Team, Abteilung, Gesamtorganisation) kann es sich bei einer Stoßrichtung um ein Programm, ein Projekt oder eine schon recht konkrete Maßnahme handeln.

Erste strategische Initiativen aufgleisen

In der letzten Etappe des zweitägigen Workshops begleite ich die Teilnehmer:innen noch bei einer weiteren Konkretisierung: Für die zwei bis drei am höchsten priorisierten strategischen Stoßrichtungen erarbeitete die Gruppe arbeitsteilig je eine strategische Initiative.

Ich bitte dazu die Workshop-Gruppe sich in Kleingruppen zu teilen. Jede Kleingruppe erhält von mir als Hilfestellung ein Template, das Initiativen-Plakat. Es enthält eine Reihe von Rubriken, die helfen sollen, eine Initiative zu erarbeiten, die auf die in der 3D-Welt umrissene strategische Stoßrichtung einzahlt. Wie die geneigte Leser:in vielleicht erkennt, hat das Initiativen-Plakat einige Ähnlichkeit mit der Idee von Objectives und Key Results (OKR) 🙂

Strategische Initiativen entwerfen mit dem Initiativen-Template

Strategische Arbeit sichtbar machen

Wie kann es nun mit der von der Gruppe erarbeiteten Vision und den daraus abgeleiteten strategischen Stoßrichtungen samt weiter konkretisierten strategischen Initiativen weitergehen?

Nach meiner Erfahrung scheitert die Umsetzung strategischer Vorhaben meist daran, dass für die konsequente Bearbeitung solcher Vorhaben im operativen Alltag des Teams / der Abteilung / der Organisation schlicht keine Arbeitszeit eingeplant wird. 

Ich bringe deshalb der Workshop-Gruppe abschließend ein paar Ideen aus der agilen Welt näher, die dabei helfen sollen, strategischer Arbeit zu jener Sichtbarkeit zu verhelfen, die es braucht, dass sie regelmäßig gemacht wird. Solche Ideen sind beispielsweise:

  • Arbeit sichtbar machen: Ich ermutige das Team, ein eigenes Arbeitsboard nach den Ideen von Kanban für die strategischen Arbeiten zu erstellen. Auf diesem Arbeitsboard gibt es dann beispielsweise eine Schwimmbahn pro strategischer Initiative. In dieser Schwimmbahn wandern dann alle durchzuführenden Aufgaben in einem einfach visualisierten Prozess (z.B. entlang der Spalten geplant, in Arbeit, in Review, erledigt) von links nach rechts. Das Team soll sich dann regelmäßig vor diesem Arbeitsboard treffen, um die nächsten Arbeiten aufzuteilen und den Fortschritt zu überprüfen (siehe auch nächste Idee).
  • Arbeit in Iterationen: Ich schlage dem Team vor, sich ein passendes Intervall für regelmäßig wiederkehrende Arbeitsetappen (in der agilen Welt oft »Sprints« genannt) zu überlegen, beispielsweise sechs Wochen. Im Laufe dieser sechs Wochen soll das Team dann – wie ein Scrum Team in der Entwicklung – iterierend planen, seinen entwickelten Plan nachhalten (z.B. einmal die Woche vor dem Arbeitsboard treffen) und am Ende der Etappe die erzielten Fortschritte begutachten (Review) sowie seinen Arbeitsprozess weiter verbessern (Retrospektive).
Beispiel-Board für strategische Initiativen - Arbeit sichtbar machen

Fazit

Den hier beschriebenen Ablauf für einen zweitägigen Workshop zur Entwicklung einer Vision und der Ableitung von strategischen Stoßrichtungen habe ich nun schon mehrfach mit Erfolg in unterschiedlichen Konstellationen (Gruppengröße, Branche, Ausschnitt der Organisation) angewendet. Er ermöglicht es, die Herausforderung zu meistern, in einem diesen Themen gewidmeten Workshop in recht kurzer Zeit erstaunliche Ergebnisse zu erzielen und die Weichen für ein Weiterverfolgen der erarbeiteten Pläne zu stellen.

(1) Mehr Info zur 3D-Welten Methode von Janek Panneitz

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